Wunden verheilen, aber tiefe Wunden heilen nie

  • Lieber Tommi,


    dein schlimmer Verlust tut mir unendlich leid. Fühl dich ganz lieb gedrückt.


    Ich habe gelesen, dass dir schon liebe Menschen geantwortet haben, die ein ähnliches Schicksal erleben mussten. Ich hoffe, es hilft dir ein bisschen in dieser schlimmen Zeit.


    Du hast drei schwere Jahre durchlebt, die dich sicher unendlich viel Kraft gekostet haben und nun musst du mit dem Verlust deiner Frau fertig werden. Das ist sehr viel auf einmal. Ich kann verstehen, dass du jede Fröhlichkeit und Freude verloren hast. Wie sollte es auch anders sein?


    Ich habe meinen Mann vor 9,5 Monaten verloren. Von jetzt auf gleich, ohne jede Vorwarnung. Er starb kurz vor seinem 52. Geburtstag. Manchmal gibt es inzwischen Momente, die sich leichter anfühlen. Und dann sind da die Phasen, wo es sich anfühlt, als sei es gestern gewesen. Es kommt in Wellen. Auch ich habe Bilder, die mich quälen. Ich glaube, sie werden irgendwann blasser, wenn man sie sich immer mal wieder anschaut und den Schmerz zuläßt, den sie auslösen. Aber auch versucht, sie mal eine Weile nicht anzuschauen.


    Hier kannst du dir alles von der Seele schreiben, was du möchtest. Irgendjemand ist hier immer und „hört“ zu. Dieses Forum ist wirklich eine große Hilfe.

  • Lieber Tommi,


    mein tiefes Mitgefühl und herzliches Beileid zu deinem schweren Verlust.

    Die ersten Wochen, Monate nach dem Tod sind entsetzlich, es ist

    ein überwältigendes, irrationales Gefühl.

    Mein Mann lag 3 Monate im Koma. Als er dann auf der Intensivstation verstarb, war ich trotz aller

    Vorbereitung, nicht in der Lage, seinen Tod zu begreifen.

    Er starb in meinen Armen, begleitet von Familie und Freunden.

    Meine Welt brach zusammen,

    Ich wünsche dir in dieser schweren Zeit ganz viel Kraft.

    Das Lesen und Schreiben in diesem Forum hat mir sehr geholfen,


    Liebe Grüße

    Maike

  • Hallo Ihr Lieben,

    bei mir ist es gerade nicht nur die Trauer darüber, dass mein Lebensinhalt nicht mehr da ist. Dies ist schon schlimm genug und kaum zu bewältigen.

    Auch die Wut auf diese furchtbare Krankheit und manche Behörden treibt mich gerade um.


    Mache gerade den Briefkasten auf, hatte Hinterbliebenenrente beantragt, Post von der DRV, dachte, oh sind die schnell, ja nix da.

    Man fordert nun Formular R0680 an, Einnahmen aus Kapitalvermögen, 4 Seiten absoluter Bürokratieirrsinn, komme da gar nicht mit allem klar, so was von kompliziert, für ein paar Euro Zinsen, die wohl eh nicht zur Anrechnung gelangen werden, habe alles direkt erst mal an die Sparkasse geschickt.


    Und so ging das rund 3 Jahre, immer wieder, bin gelernter Kaufmann, also bei Formularen durchaus erfahren, für die DRV wird gerade ein Mensch "abgewickelt" und dem Angehörigen macht man es so schwer wie möglich.


    Hatte in den letzten Jahren zig unangenehmen Schriftverkehr. Als das Krankengeld auslief, blieb nur noch die Nahtlosigkeit Regelung bei der Agentur für Arbeit, meine Frau hatte weit über 35 Jahre Beiträge abgeführt, und wurde dort wie ein lästiges Übel behandelt. Man drohte ihr sogar, das ALG1 zu streichen, weil sie durch ein erneutes Rezidiv die Reha nicht antreten konnte und auch nicht sofort einen neuen Termin parat hatte. Reha vor Rente heißt es dann ja so schön, man wollte sie auch da so schnell wie möglich loswerden.


    Oder die Krankenkasse, zweimal wurde Avastin von der Uniklinik beantragt, jedes Mal abgelehnt mit mehrseitigem Gutachten des Medizinischen Dienstes, vorgedruckte Seiten, als wenn man dort nur den Knopf drücken musste. Haben 4 Infusionen dann selbst finanziert, manche wissen, über welche Beträge wir hier sprechen. Das von der Krankenkasse vorgeschlagene Alternativprodukt Regorafenib war die reinste Katastrophe, und manche Experten waren sich in dem Moment genau bewusst, dass meine Frau hiervon kaum profitieren konnte, im Gegenteil, aber das ist ein anderes Thema.


    Oder die private Krankenzusatzversicherung, hatte meine Frau in die Berufsunfähigkeit gedrängt, mit Vertrauensarzt, 80km von uns entfernt, bei Nichterscheinen Streichung der Zuwendungen.


    Aber es hilft ja nichts, der Behördenkram geht ja noch weiter, die Erbschaft muss noch eingeleitet werden, gottlob haben wir ein notarielles Testament, welches auch im Register eingetragen ist, aber das Finanzamt ist immer im Thema, mal sehen, ob da dann auch noch was kommt, bei Immobilien muss man sein Erbe innerhalb von 3 Monaten dort melden, als Ehemann, kaum zu glauben.


    Oder die nächste Steuererklärung, waren gemeinsam veranlagt, muss für 2023 auch noch mal so erklärt werden, also auch tote Menschen sind steuerpflichtig.

    Dürfte dieses Mal auch nicht ganz unkompliziert werden.


    Das einzig Gute daran ist, dass ich Beschäftigung habe, nicht nur sinnlos durch die Wohnung oder durchs Dorf renne, trotzdem nervt das.


    Wollte ich einfach mal loswerden


    Gruß

    Tommi

  • Lieber Tommi,


    ohhhh jaaaah . Alles was du oben beschrieben hast kennen so viele hier auch. Es ist bitter doch wie du "richtig" schreibst hast du dadurch Beschäftigung... Lei der

    JA, leider wissen ganz viele auch bei Privat Versicherten wie teuer Avastin ist und welches Procedere man vorher durchlaufen muss ...

    Wollte ich einfach mal loswerden

    genau auch dafuer ist das Forum gedacht . Einfach auch sogenanntes "alltägliches" oder andere Schwierigkeiten mit Behörden oder ...oder ...oder .. zu teilen.

    Sverja

  • Lieber Tommi,

    ich habe jetzt erst deine Zeilen gelesen und kann mir sehr gut vorstellen , wie es dir jetzt geht.

    Dieser Ausnahmezustand , diese Leere, Entsetzen, Fassungslosigkeit , Unruhe und dann diese Albträume, dieses eventuelle Wiedererleben von Wahrgenommen, dieses Erinnern…. das alles ist so schrecklich und unbegreiflich!

    Mein Mann starb am 13.01.23 an Lungenkrebs, Lungenentzündung durch Corona und Lungenembolie.

    Das alles innerhalb 6 Wochen.

    2 Wochen vor der Diagnosestellung saß er, der Sportler, Nichtraucher und sehr liebenswerter Mensch noch auf seinem Mountainbike, dann kam ein Pleuraerguss und nach dem CT wussten wir, das es eine Reise in den Tod sein würde.

    Wir dachten aber nicht, dass die Reise so schnell enden würde.


    Ich war die letzten zwei Wochen, als er Palliativpatient wurde, Tag und Nacht bei ihm.

    Das war für uns beide gut aber nicht wirklich tröstlich, da wir keine Gespräche und Seelsorger hatten, wir waren sehr einsam.

    Ins Detail gehen möchte ich nicht weiter.

    Wir hätten uns gerne mehr Zeit miteinander gewünscht, auch in der Krankheit aber letztendlich lag es nicht in unserer Hand.


    Schreibe dir hier alles von der Seele, deine Wut,Schmerz, Trauer, Fragen nach dem Warum usw.

    Du brauchst nichts zurückhalten, hier verstehen dich alle, weil wir es erlebt haben, jeder seine eigene Tragödie, vereint in dem gleichen Schmerz mit all seinen Auswüchsen und Wellen.


    Fühle dich verstanden und umarmt

    Elisabeth

  • Lieber Tommi,


    verstehe dich gut, hatte selbst ähnliche Probleme. mit Immobilien u. so weiter. Da es so kompliziert

    ist, werde ich es nicht aufschreiben

    Nach zwei Monaten gab ich alles unseren Steuerberater, sowie Anwalt/Notar. Selbst diese Fachleute

    stritten sich mit den Behörden,

    Die Steuer habe ich noch nicht bezahlt, denn Anwalt, Notar, Steuerberater erheben immer wieder

    Einspruch.


    Liebe Grüße

    Maike

  • Lieber Tommi,


    das mit den vielen Formularen und Ärger mit Behörden und Krankenkassen kenne ich nur zu gut. Habe während der Krankheit täglich Formulare ausgefüllt und nach seinem Tod täglich 3 Stunden "Büroarbeit" für fast 2 Monate.


    Die Krankenkasse hatte damals Avastin 3 x abgelehnt und die Behandlung mit TTFields auch immer wieder. Die Erwerbsminderungsrente hat er nach 5 Monaten im März anerkannt bekommen. Die Pflegestufe 5 wurde nach seinem Tod rückwirkend erhoben. Ich kann also auch ein Lied davon singen. Es hat mir immerhin im Nachgang eine Aufgabe gegeben, auch wenn es geschmerzt hat.

    Das Erbe ist zwar eröffnet, aber noch nicht final geklärt. Das kann noch dauern. Und vor der Steuererklärung graut es mir für dieses Jahr. Berge von Unterlagen, die ich für die Steuerberaterin heraussuchen muss...das dauert bestimmt Tage.


    Und wenn man dann alles nochmal durchgeht, kommt viel hoch, vor allem die Wut auf die Krankheit. Da bin ich total bei Dir.


    Aber irgendwie müssen wir uns da durchkämpfen, um nicht auch noch das als Laster zu haben.


    Wünsche Dir viel Kraft.


    Liebe Grüße


    Constanze

  • Guten Morgen Ihr Lieben,


    eigentlich wollte ich das hier Geschriebene erst mal auf mich einwirken lassen, nachdenken, nach Lösungen suchen und das Neue Jahr dann auf mich zu kommen lassen.


    Möchte trotzdem im alten Jahr noch ein paar Zeilen schreiben, bin seit 04.30hr wach, grüble über dies und das, war auch schon im Dorf und habe irgendwie Angst vor morgen.


    Silvester - Uti und ich waren nie die richtigen Partygänger, wir haben meistens Silvester ruhig zu zweit verbracht, damit waren wir immer zufrieden.


    Letztes Silvester waren wir für eine Woche in Cuxhaven, hatten eine wunderschöne Ferienwohnung mit Blick auf den Schifffahrtsweg und die Nordsee, konnten die Kreuzfahrtschiffe an uns vorbeifahren sehen, und freuten uns auf den nächsten Tag. Uti ging es da noch relativ gut, obwohl sie schon wieder die nächste Bestrahlung im Terminkalender stehen hatte.


    Sie war so positiv eingestellt, so ehrgeizig, wollte dem Hirntumor nicht zu viel in unserem Leben überlassen. Wir haben mit alkoholfreiem Sekt auf ein besseres Jahr 2023 angestoßen. Sie war ,wie meistens, wieder mitten in einer Temodal-Chemotherapie. Ist mit ihrem Rollator kilometerweit durch die Grimmershörner Bucht gelaufen, wollte nicht akzeptieren, dass unser schönes Leben keine Zukunft mehr hat. Wir wollten doch nur mal ein wenig Ruhe, mal ein MRT, dass nicht schon wieder Auffälligkeiten zeigte.


    Aber es kam ja anders, das Jahr 2023 wurde zur absoluten Katastrophe, es kam zum Supergau, 14 Tage vor Weihnachten ist sie auf der Palliativstation gestorben, 1 Woche vor Weihnachten wurde sie beerdigt.


    Was mache ich jetzt mit Silvester, wohl nichts, habe Weihnachten schon so schnell wie möglich hinter mich gebracht, fast alles abgesagt. Natürlich bieten viele Menschen Hilfe an, aber trotzdem geht jeder dann doch in sein normales Leben zurück, das funktioniert zumindest bei uns allen aber wohl nicht.


    Die Krankheit hat eins gezeigt, man wusste in dieser Zeit ganz genau, auf wen man zählen kann und auf wen nicht. Manche haben ausgelassen, Bekannte, Verwandte aber auch manchmal die eigene Familie. Uti hat mal gesagt: "Todkranke Menschen bekommen keinen Besuch" - das kann man vielleicht nicht generell so sagen, aber bei uns war schon etwas dran.


    Die dunklen Szenen der letzten Monate werden mich auch Silvester begleiten, wo soll der Optimismus auch gerade herkommen.


    Es ist immer schwierig, trauernden Menschen einen guten Übergang und ein gutes Neues Jahr 2024 zu wünschen, zu sehr schmerzt die oftmals so belastende neue Situation, deshalb sage ich auch nur "Daumen gedrückt" 2024, damit das kommende Jahr dann doch irgendwas bietet, was einem den Glauben und den Sinn des Lebens erhält.


    Uti und ich waren begeisterte Bergwanderer, waren rund 40 mal in den Allgäuer Bergen unterwegs, ich werde in 2024 wieder hinfahren. Alleine, aber sie wird immer mit dabei sein, im Rucksack, aber auch in meinem Kopf und in meinem Herzen. Der Mensch braucht Ziele, sonst geht er unter.


    Viele Grüße

    Euer Tommi

  • Lieber Tommi,


    ja einen Sinn den muss man erst einmal ganz langsam finden das dauert.

    Ein neues Jahr bringt uns natürlich auch immer weiter weg von dem was passiert ist.

    Ich fand diesen ersten Übergang ganz schlimm.

    Der zweite war genauso schlimm.

    Der dritte war ja blöde und nun ist es der vierte und wieder diese Gedanken noch weiter von diesem Tag X der so eingebrannt ist.


    Es geht mir besser ja aber gut richtig gut Nein.


    Vlg. Linchen

  • Lieber Tommi,


    jetzt habe ich viel hier gelesen.Vieles wurde schon gesagt und mir fehlen ein wenig die Worte was ich sagen könnte um zu helfen.

    Trost gibt es ja keinen wirklichen.


    Schreibe einfach immer wenn dir danach ist, hier ist immer jemand da.


    Das Zitat aus König der Löwen hat mir gut gefallen....


    Ein lieber Gruß


    Anja

  • Hallo Ihr Lieben,


    erst einmal alles Gute für 2024, vor allen Dingen viel Gesundheit, wir alle wissen, dass dies über allem steht.


    36 Jahre habe ich mit meiner Frau Uti Silvester zusammen gefeiert und auf ein gutes Neues Jahr angestoßen, gestern war alles anders.

    Das erste Mal alleine sein, bei einem doch eigentlich so schönen Ereignis, nein, ich hab es mir nicht angetan bis 24hr zu warten, bin zeitig schlafen gegangen.


    Vor einem Jahr waren wir noch für ein paar Tage in Cuxhaven, haben dort Silvester miteinander "gefeiert", haben beide auf ein besseres Jahr gehofft, ein Jahr mit besseren MRT´s und längeren Ruhephasen. Obwohl wir beide wussten, dass uns das Glioblastom immer das Leben schwer machen würde, hätten wir beide trotzdem nicht gedacht, dass sie das spätere Weihnachtsfest nicht mehr erleben sollte. Sie starb 15 Tage vor Heiligabend, nachdem die Ärzte sie per Sedierung erlöst hatten.


    3 Jahre harter Kampf liegen nun hinter mir, 2024 muss aber weiter gekämpft werden, die Trauer muss irgendwie verarbeitet werden, die schlimmen Szenen der letzten 3 Monate müssen in den Hintergrund treten, die Palliativstation darf nicht jeden Tag in meinen Gedanken eine Rolle spielen.


    31 Jahre glücklich verheiratet, nur Kinder waren uns nicht vergönnt, das macht alles dann noch viel schwieriger. Ich hätte sie schon während der Krankheit so sehr gebraucht, aber auch jetzt, Kinder und Enkelkinder sind eine Verpflichtung positiv weiterzumachen, man weiß dann warum man wieder auf die Füße kommen muss.


    Die Angst vor der Einsamkeit spielt hier vielleicht auch eine Rolle, aber am Allerschlimmsten ist die Gewissheit, dass nun das Unfassbare nicht mehr rückgängig zu machen ist, man kann nichts mehr korrigieren.


    Das erste Mal ohne Uti....... Dieser Satz begleitet mich schon seit Tagen und wird auch in der kommenden Zeit zur Belastung.


    Aber es nützt ja nichts, 2024 wird für mich ein sehr schwieriges Jahr, eine andere Herausforderung, 3 Jahre lang habe ich auf meine Frau aufgepasst, sie gepflegt, Ihren Alltag so gut wie möglich gestaltet, sie bei allen Untersuchungen und Therapien begleitet, mit ihr gebangt, mit ihr gezittert. Dies Alles fällt ja jetzt weg, aber viel einfacher wird es sicherlich auch nicht.


    Viele Grüße

    Tommi

  • Lieber Tommi,

    Ich wünsche Dir für das nun vor uns liegende 2024 vor allem Gesundheit und ein wenig mehr Erträglichkeit Deiner Trauer….

    Setz Dich nicht so unter Druck, mach es alles so, wie es für Dich in Deinem eigenen Tempo möglich ist…

    Verdräng die Trauer nicht und sage „Ich muss dies ich muss das“, es wird sich alles finden so wie es passt…


    liebe Grüße

    Uschi

  • Lieber Tommi,


    ich weiß gar nicht was ich dazu sagen soll dieser ganze Kampf mit der Bürokratie das ist doch einfach Wahnsinn wer soll das denn in so einem Ausnahme Zustand schaffen um Gottes Willen ehrlich mal.


    Aber auch was Du schreibst während dieser schweren Zeit als Deine Frau krank war....ich kann das alles nicht verstehen.

    Die sind doch da um mit einem zusammen zu arbeiten nicht gegen einen.

    Das ist doch zusätzlich belastend und für eine schwere Krankheit nicht förderlich.


    Mich macht das sprachlos sorry aber dieses System ist krank Punkt wirklich krank.


    Vlg. Linchen

  • Guten Morgen,

    heute ist wieder so ein übler Tag, an dem das Kopfkino einen Horrorfilm nach dem anderen für mich vorgesehen hat.


    Bin ständig in Gedanken im Dezember 2023, auf der Palliativstation, sehe mich ständig auf diesem langen Gang, mit den Adventszweigen an den Türen, oder in diesem Raum der Stille.


    Klar, der 09.12.23 ist gerade erst einen Monat her, vor genau 4 Wochen verstarb sie, vielleicht bin ich deshalb gerade so durch den Wind. Ich war bis zur letzten Sekunde bei ihr, und es kommen Fragen auf, die sie mir nicht mehr beantworten kann.


    Wir konnten uns gar nicht richtig verabschieden, als sie eingeliefert wurde, war sie zumindest teilweise noch ansprechbar, hatte zwischendurch sortierte Momente.


    Aber die meiste Zeit schlief sie, war manchmal verwirrt und vergaß oftmals viele Dinge. Die Antiepileptika und Antidepressiva hatten sicherlich auch ihren Anteil daran. (Sie hasste Lacosamid)


    In den letzten Wochen war dann gar keine zweiseitige Kommunikation mehr möglich, ich habe mich jeden Tag von ihr verabschiedet, auf meine Art. Aber sprechen konnten wir nicht mehr miteinander.


    Frage mich gerade, was denn besser ist, eine intensive gegenseitige Verabschiedung in den letzten Tagen, mit allen negativen Begleiterscheinungen, oder eine Verabschiedung wie bei uns, eher einseitig. Aber wer weiß, vielleicht hat sie sich ja auf eine andere Weise von mir verabschiedet, ich habe es nur nicht richtig mitbekommen.


    Und es kommen Zweifel auf, hab ich wirklich alles getan, um diese Katastrophe zu vermeiden, den dreijährigen Kampf dann quasi mit zu beenden, und das nach 31 glücklichen Ehejahren?


    Kurz nach der Einlieferung fragten mich die Ärzte auf der Neurochirurgie, ob ich damit einverstanden wäre, wenn bei meiner Frau intensivmedizinische Therapien nicht mehr zum Tragen kommen, z.B. bei Nierenversagen, ich habe dem zugestimmt. Das Helios Krefeld hatte von mir alle Unterlagen sowie die aktuellen CD´s erhalten. Der Krankheitsverlauf sowie der Zustand meiner Frau führte dort dann wohl auch zum Ergebnis - "austherapiert"


    Meine Frau konnte nicht mehr selber entscheiden, die Ärzte hatten sie im Vorfeld ja eigentlich auch schon aufgegeben:


    Aussage vom Professor in der Uniklinik Essen: "das sieht nicht gut aus, würde Ihnen den Kontakt zu einem Palliativteam empfehlen"

    Aussage vom Onkologen: "jetzt fällt mir auch nix mehr ein, was wir noch machen könnten"

    Aussage der Hausärztin: "Ihre Frau hat mehrere Metastasen im Kopf, wollen Sie Ihrer Frau wirklich noch eine weitere Therapie zumuten, ich kann Ihnen nur raten, über eine palliative Begleitung oder über ein Hospiz nachzudenken"


    Vielleicht solle man den Einschätzungen der Ärzte dann doch vertrauen, doch Zweifel beschäftigen mich trotzdem. Ich könnte aber auch Geschichten erzählen, wo man bei manchem Arzt dann doch die Krise bekommt. "Ach helfen Sie mir doch mal, wo stehen wir denn gerade überhaupt" - "Ich habe so viele Patienten, ich kann nicht jede e-mail lesen" - Dies waren Aussagen einer fachlich ganz oben angesiedelten Person.


    Meine Frau war immer ein Kämpferin, hat das Glioblastom letztendlich fast 3 Jahre überlebt.


    Akzeptiere die Diagnose aber nicht die Prognose hieß es immer, und es stimmte ja irgendwie. Aber das ist kein Trost für mich.


    Vielleicht haben wir einfach auch zu viel gemeinsam in den letzten 3 Jahren durchgemacht, kein Wunder, dass die ganzen Szenen noch in meinem Kopf sind.


    Ich war in ihren letzten Sekunden am Sterbebett, ohne richtige Verabschiedung, ob es das ist, was mich gerade auch so umtreibt?


    Euer Tommi

  • Lieber Tommi,


    deine Geschichte hat mich zu Tränen gerührt.

    Fühl Dich fest umarmt.


    Hast Du mal über eine Reha/Kur nach gedacht?

    Ich kann mir nicht vorstellen, dass man das alles alleine Gesund verarbeiten kann, das soll nicht anmaßend klingen,

    ich hab eine ganz andere Erfahrung gemacht als Du. ich habe meine Mama am 15.12.2023 ohne vorherige Krankheit innerhalb von 3 Tagen verloren und es zu akzeptieren fällt auch mir schwer und ich komme an meine Grenze, Mir kommen von diesen 3 Tagen , auch die Bilder immer wieder hoch und da kommst Du mit 3 Jahren und ich denke mir dass es so heftig für dich sein muss.

    Die Krankenhaus Psychologin, sagte die Bilder sind ein Zeichen dass man es noch nicht akzeptiert hat.

    Vielleicht könntest Du die Kur ja sogar in den Bergen machen?

    Aber vielleicht bist Du auch gar nicht offen für sowas, ist mein Vater auch nicht, bzw noch nicht.


    Sollte nur eine Idee sein die Dir etwas helfen könnte, alles zu verarbeiten.

    Ich wünsche Dir vom Herzen, dass Du einen gesunden Weg für Dich findest!


    lG

    Nina

  • Lieber Tommi,


    das dieses Kopfkino auf vollen Touren läuft ist völlig normal.

    Wie gehen es immer und immer wieder durch jede Kleinigkeit jede Sekunde jede Aussage egal was.

    Dieses was wäre wenn, hätte ich doch, gab es nicht vielleicht.....und und und warum weil unser Herz es schlicht nicht akzeptieren kann und will.

    Herz und Verstand passen da einfach nicht zusammen.


    Was verabschieden betrifft, ich glaube nicht das es einen Unterschied macht und ob das überhaupt jemals so gibt stellt sich mir immer die Frage.

    Unsere Lieben verabschieden sich auf andere Weise von uns oder eben auch erst einmal nicht, da sind Sie vielleicht noch bei uns begleiten uns für eine Weile.


    Vlg. Linchen

  • Lieber Tommi,

    ich kann Linchen nur zustimmen.

    Dieses Kopfkino kommt immer mal wieder ,das ist ganz normal wenn auch schlimm.

    Ich kann dich sehr gut verstehen, Jörg und ich waren 35 Jahre verheiratet,45 Jahre waren wir zusammen,waren schon als Teenager ein Paar.

    Es tut so verdammt weh.


    Glg🌻☀️Elke

  • Vielen Dank Ihr Lieben für die schönen Zeilen. Das mit der Reha/Kur hatte ich auch schon überlegt, aber im Moment bin ich auch noch zu sehr gebunden.

    Es ist so viel zu erledigen, alleine die Hinterbliebenenrente, musste das Formular 0680 zurückschicken - Einkünfte aus Kapitalvermögen. Musste hierzu meine Sparkassen-Beraterin hinzuziehen, hat echt viel Zeit gekostet und viel Papier, und das für ein paar Zinsen. Selbst die nette Dame vom Rentenamt der Stadt Kempen sagte mir, dass sie selber durch dieses Formular nicht durchblickt.


    Bin ehrlich gesagt auch nicht der Typ für so eine psychologische Betreuung, die Psychoonkologin auf der Palliativstation ist mir hier schon auf den Keks gegangen:

    "auch wenn es sie nicht tröstet - wir müssen doch alle sterben" Meine Frau wurde nur 56 Jahre alt.


    Ja es kann sein, dass ich alles noch nicht akzeptiert habe, meine Frau hat gekämpft wie eine Löwin, bis zum Schluss. Weil sie unser schönes Leben so liebte und weil sie wusste, in welch tiefes Loch ich jetzt fallen würde.


    Die Palliativstation mag für den Patienten eine sehr gute Sache sein, diese Ruhe, diese mitfühlenden Mitarbeiter, aber für mich als Partner war diese Station der blanke Horror, jeden Morgen bin ich mit diesem schlechten Gefühl dort hingefahren, habe nie gewusst, ob es das letzte Mal ist, ob sie überhaupt noch lebt. Und dann die täglichen Abschiede am Abend.


    Diese Szenen werde ich mein ganzes Leben nicht mehr los, es entwickelt sich gerade so etwas wie ein Trauma, ich habe sie abgöttisch geliebt, uns gabs nicht alleine, immer nur zu zweit. Das macht es jetzt gerade so richtig schwierig, leider haben wir ja keine Kinder, diese Hilfe fällt also auch weg.


    Schwierig sich gerade neue Ziele im Leben zu suchen, ja es geht 2024 wieder in die Berge, aber das erste Mal ohne sie. Aber ich muss auf dieser Erde noch durchhalten, sie hätte auch nicht gewollt, dass ich aufgebe. Stehe oft am Grab, spreche mit ihr, bekomme nur keine Antwort, zumindest vernehme ich keine.


    Alles gerade sehr sehr schwierig


    Gruß

    Tommi

  • Deine Worte, könnten von meinem Papa sein,

    er hält für uns durch, dass merke ich und für seinen Enkel, aber das ist auch schwer für Ihn, weil mein Sohn so sehr an meiner Mama hing und alles erinnert einfach an Sie.

    Aber ich glaube die meiste kraft schöpft er aus den Gesprächen, die er mit meiner Mutter hatte, wenn es darum ging, falls einer vor dem anderen gehen muss.

    Sie sind Dauercamper und Mama hat alles so schön und liebevoll eingerichtet, aber er sagt ganz klar, er gibt es nicht auf, weil Mama das nicht gewollt hätte.

    Die Psychologin fand er auch nicht so gut, die war auch sehr jung, vll lag es daran.

    Ich werde auf jeden Fall versuchen eine Muki zu beantragen, den schaden wird es sicher nicht,

    Ich erkenne echt viele Parallelen zu meinem Papa bei Dir und wünsche Dir aus tiefsten Herzen, dass Du deinen Weg findest!

  • Lieber Tommi,


    was das verabschieden angeht, so denke ich ist es immer für einen schwer wenn man darüber nachdenkt wie es gewesen war und ob man es

    hätte anders machen sollen, wollen, können.

    Wenn ich lese wie es bei euch gewesen ist, hast du in meinen Augen alles getan was man tun konnte. Du hast und konntest sie lange begleiten, warst

    immer bei ihr, hast alles getan was man tun kann. Was ich sagen möchte, ich glaube wir stellen uns immer diese Frage.


    Ich zb. konnte mich überhaupt nicht von meinem Mann verabschieden da er ganz plötzlich unvorhersehbar gestorben ist. Das war für mich ganz schrecklich.

    Auf der anderen Seite denke ich, wie emotional schwierig das ist sich von einem Menschen ganz bewusst zu verabschieden den man liebt, fühlt sich genauso schrecklich an.

    Wenn ich hier jetzt so schreibe, schießen mir die Bilder durch den Kopf wie die letzten Stunden waren die ich mit meinem Roman hatte.

    Ich kann es sehen wie ich möchte, wer möchte sich gerne verabschieden?!

    Unser Abschied war, wir tranken nachmittags einen Kaffe zusammen, wir kamen gerade von der Arbeit. Ich bin zu meiner Mutter gefahren und ich verabschiedete

    mich mit einem Kuss von meinem Roman und kam 2 Stunden später nach Hause zurück und fand ihn in unserer Wohnung. Das war unser Abschied.


    Ich weiß nicht wie es ist wenn man diese Bilder ständig im Kopf hat von der Palliativstation. Ich glaube das kann sich auch keiner vorstellen wie das ist der

    es nicht miterlebt hat. Ich weiß nur von der Mutter meiner Freundin die vor 5 Monaten an Brustkrebs gestorben ist, das sie diese Bilder auch hat und sie

    nachts nicht schlafen lassen.

    Ich hoffe dann einfach auf die Zeit, das die Bilder nachlassen werden und vielleicht ist es gut wenn man sich Hilfe sucht wo man auch immer wieder über diese Situationen sprechen kann.


    Ganz lieben Gruß


    Anja