Lieber Matthias,
wie gut ich dich verstehe!
Das Einzige was wir uns wünschen, ist das, was garantiert nicht mehr passieren wird!
Was soll mir schon passieren ist die Metapher für etwas Schlechtes.
Das sagt man bei uns so: Wenn jemand mich warnt etwas zu tun und ich habe keine Angst, dann sag ich "was soll schon passieren" und meine damit ich habe keine Angst vor einem Versagen/Unfall oder anderen schlechten Dingen.
Und das stimmt grundsätzlich bei mir. Ich klammere mich momentan weder an mein Leben, noch an meine Gesundheit noch an die Bequemlichkeiten, die ich habe, sehr wohl bemerke, aber nicht so recht genießen kann.
Ich habe nicht mal mehr wirklich Panik vor Hilflosigkeit gesundheitlicher Natur und auch nicht vor all den schlimmen Dingen, die tatsächlich laufend überall auf der Welt den Menschen zustoßen und vor denen niemand gefeit ist (davor verschließe ich nicht die Augen, das ist mir sehr wohl bewusst, das mir das auch passieren könnte)
Ich lebe in so einer Art stumpfsinnigen Leere und mangelnden Mitgefühls für andere, unterbrochen von heimlichen Heulattacken und Wutanfällen, wenn nur eine Kleinigkeit schief läuft.
Irgendwie bin ich eine Karikatur meiner selber.
Und wundere mich jeden Tag, dass das Leben weitergeht ohne dass ich daran wirklich teilnehme.
Für mich ist es kein Leben mehr, es ist ein sinnloses Existieren und ich staune immer wieder woher ich die Kraft nehme die Tage zu bestreiten, ohne dass diese Tatsache irgendjemand auffällt außer mir selber.
Ich bin total leer, ausgetrocknet wie eine Wüste während einer langanhaltenden Trockenperiode.
Ich bin nicht mehr fähig dem Leben etwas abzugewinnen oder etwas Positives dazu beizusteuern.
Ich bin schier ausgehungert nach Liebe und sehne mich nach Geborgenheit.
Ich brauche dringend eine Liebe Liebe im Hier und Jetzt.
Nicht dieses Gedankenkonstrukt, das ich in Stunden höchster Verzweiflung dazu benutze wieder runterzukommen, um weitermachen zu können - dass meine Lieben im Jenseits auf mich aufpassen, dass sie da sind um mir zu helfen und mich abholen, wenn ich endlich auch sterben darf.
Ich rede jeden Tag mit Hannes, erzähle ihm vom Tag und von meinem Kummer und entschuldige mich auch sehr oft, weil ich es nicht schaffe mein Leben wieder so in Schwung zu bringen, dass ich es auch genießen kann, denn ich weiß, er mochte dass ich glücklich bin und das Leben genieße.
Aber verdammt, alleine schaffe ich das nicht, ich bin einfach ausgebrannt, einfach liegengeblieben wie ein Fahrzeug, dem der Sprit ausgegangen ist.
Da können mir alle soviel erzählen wie sie wollen. Alleine komme ich nicht mehr in meine Kraft, da nützt es auch nichts, wenn ich mich ganz dolle selber lieb habe und mein inneres Kind streichle, da nützt auch, ich bitte um Entschuldigung, liebe Kornblume, der liebe Jesus nichts, der die Dinge für mich regelt, wenn ich nur lieb drum bitte.
Das Einzige was nützen würde, wäre mein Hannes, mein Liebling, hier an meiner Seite, zum Anfassen, zum Küssen und zum Streiten.
Dabei bin ich ja schon soweit, das ich ihm das nicht antun würde, ihn aus reinem Egoismus wieder zurückzuholen, weil ich sehr wohl begriffen habe, dass sein Leben eben am 14. Juni 2018 zu Ende war mit 76 Jahren.
Ich habe sogar eingesehen, dass es für mich offenbar nicht der richtige Zeitpunkt war zu gehen, so sehr ich es mir auch gewünscht hätte.
Aber ich frage mich schon, ob es das jetzt war?
Dass ich hier alleine ein Leben friste, das ich nicht will.
Dass ich hier in Trauer und Einsamkeit für den Rest meines Lebens verharren muss, denn so wie es aussieht sind alle Maßnahmen, die ich fast 2 Jahre lang konsequent versucht habe umzusetzen gescheitert.
Ich habe das Gefühl dauernd in jeder Richtung an eine Wand zu rennen. Jetzt habe ich durch die Coronakrise eine Ruhepause von außen verordnet bekommen, um in mich zu gehen und nachzudenken.
Ich habe beschlossen gar nichts mehr zu unternehmen, sondern einfach abzuwarten, bis die Natur die Dinge von selber regelt.
Sterben müssen wir alle ...
irgendwann.
Aber ich bin traurig und wütend und elend und leer.
Und mein Cousin kann mir dabei nicht behilflich sein, denn dem geht es kein bisschen anders, auch wenn er von sich behauptet gerne zu leben. Aber das ist nur ein Teil seiner Wahrheit, in Wirklickeit hat er auch schon aufgegeben und versucht jetzt noch seine letzten Lebensjahre irgendwie rumzukriegen.
Wir sind zwei einsame Menschen, die sich gegenseitig die Wunden lecken, mehr ist da nicht und es genügt nicht für mich, bei weitem nicht.
Und so steh ich da, wie ein Tiger im Käfig und warte auf den Tod.
Oder dass wider Erwarten etwas geschieht, dass mich wieder richtig ins Leben befördert.
(auch wenn meine Fantasie nicht dazu ausreicht mir vorzustellen, was das sein könnte ... eine neue Liebe ... irgendeine Aufgabe die mich so fesselt, dass ich gerne jeden Morgen aufstehe um den neuen Tag zu begrüßen?)
Ich habe keine Ahnung, bin am Ende meiner Weisheit und weiß nicht mehr was ich tun soll.