Vor 6 Wochen ist mein lieber Mann verstorben. Nichts hat mich darauf vorbereitet.
Ich habe mich Nachmittags von ihm auf die Schnelle verabschiedet, weil ich ein Konzert mit meinem Gospelchor hatte.
Tschüss bis heute Abend, habe ich ihm zugerufen und bin schnell zur Tür raus.
Umarmt oder geküsst habe ich ihn nicht, weil er noch unter den Resten eines gripp. Infekts litt, mächtig hustete und ich mich nicht wieder anstecken wollte.
Ich hatte selbst auch mehrere Tage mit Fieber im Bett gelegen und war gerade erst wieder gesund geworden.
Eigentlich war mein Mann auf dem Weg der Besserung, hatte kein Fieber mehr. Er saß gemütlich im Sessel, trank heißen Tee und sah fern, so habe ich ihn zurückgelassen.
Als ich abends nach dem Konzert nach Hause kam, habe ich mich schon darauf gefreut, ihm berichten zu können. Ich habe schon auf dem Weg ins Wohnzimmer nach ihm gerufen, ich bin wieder da.
Es kam keine Antwort. Im Wohnzimmer war Licht an und der Fernseher lief.
Auf dem Couchtisch vor dem Sessel war eine große Blutlache. Da wurde mir klar, dass etwas Schlimmes passiert sein muss.
Gefunden habe ich meinen Mann auf der Gästetoilette, alles war voller Blut. Ich hab noch gedacht, klar, bei so viel Blut muss man ja ohnmächtig werden, genauso sah er aus.
Also hab ich versucht, ihn zu wecken, habe laut gerufen und dann irgendwann nur noch geschrien.
Schließlich habe ich die Feuerwehr angerufen, da hing ich erst mal in der Warteschleife. Bin dann mit dem Telefon raus auf die Straße und habe bei Nachbarn geklingelt, weil ich in meiner Panik nicht mehr weiterwusste. Die Feuerwehr kam dann endlich und der Notarzt sagte mir, dass mein Mann schon längere Zeit tot war.
Danach war nur noch tiefe Verzweiflung, ich habe viel geschrien und ein Beruhigungsmittel bekommen.
Unsere beiden Kinder sind dann mit dem Taxi gekommen und eine Notfallseelsorgerin. Die blieb stundenlang bei uns, bis der Leichenbeschauer und schließlich der Bestatter da waren.
Gestorben ist mein Mann an einer Lungenblutung, wohl hervorgerufen durch den starken Husten und einen Blutverdünner, den er wegen Vorhofflimmerns nehmen musste.
Er wurde nur 59 Jahre alt. Seitdem ist mein Leben aus den Fugen geraten.
Wir waren seit fast 40 Jahren ein Paar, 37 Jahre verheiratet und wir wollten zusammen alt werden, irgendwann die Rente genießen, schöne Reisen unternehmen, uns über Enkelkinder freuen.
Jeder Tag ohne ihn ist ganz entsetzlich. In meinem Kopf sind die Bilder von dem Abend, als ich ihn gefunden habe und quälen mich.
Er war ganz allein, als die Blutung anfing und ist sicherlich in Panik geraten, auch dieser Gedanke quält mich so.
Auch das ich mich nicht von ihm verabschieden konnte, ist für mich furchtbar. Hätte ich ihm doch wenigstens noch mal über den Kopf gestrichen und ihm gesagt, wie sehr ich ihn liebe.
So viele "hätte ich doch..." und nichts davon kann man nachholen, es ist einfach für immer vorbei.
Der Arzt meinte, dass es ganz schnell gegangen ist und ich nichts für ihn hätte tun können, auch wenn ich zu Hause gewesen wäre.
Aber dann wäre er wenigstens nicht alleine beim Sterben gewesen, ach, es tut mir so furchtbar leid, dass er alleine da durch musste.
Die vielen Behördengänge, der ganze Formularkram und die Beerdigung haben mich in den letzten Wochen auf Trab gehalten. Jetzt, wo Ruhe einkehrt, wird es besonders schlimm.
Ich kann mir nicht mehr vormachen, dass seine Abwesenheit nur vorübergehend ist. Er ist nicht mehr da und wird auch nie mehr zu mir zurückkommen.
Nie mehr wird er neben mir schlafen, mich küssen und umarmen, mir guten Morgen und gute Nacht wünschen. Nie mehr mit mir essen, mit mir spazieren gehen, mit mir abends gemütlich beisammen sitzen. Nie mehr sich mit mir freuen, mich trösten, mit mir Weihnachten, Silvester und Geburstage feiern, mit mir alt werden.
Es ist leer und still, wenn ich nach Hause komme.
Es gibt Tage, an denen ich einigermaßen zurechtkomme, aber an den meisten Tagen möchte ich von morgens bis abends nur heulen und jammern.
Ich habe zum Glück meine Kinder und gute Freunde, die mir zur Seite stehen. Aber nichts und niemand kann mir meinen Mann ersetzen.
Meine Kinder, insbesondere meine Tochter, leiden auch so sehr. Mein Mann war ein herzensguter Mensch und ein so liebevoller Papa.
Eigentlich kann ich es immer noch nicht fassen, dass er für immer weg ist. Es ist, als ob mein Hirn sich weigert, diese Tatsache zu begreifen.
Ich bin in ärztlicher Behandlung, nehme jetzt ein Antidepressivum, um schlafen zu können und den Tag zu überstehen.
Es ist eine Erleichterung für mich, wenn ich lese, dass ich mit diesem Schmerz nicht allein bin.
Ich glaube, nur wer selbst davon betroffen ist, kann nachvollziehen, was die Trauer mit einem macht.