weisse Rosen . Das Sargbouquet

  • Liebe Community,


    Wie geht es Euch ? Blöde Frage. Ihr seid alle gequält und vermisst höllisch einen lieben Menschen.

    Ich auch. Sosehr, dass ich meine ,ohne ihn nicht weiterleben zu können..... Und dennoch muss und will ich das,alles andere wäre feige.


    Da ist sein Gesicht, ich höre ihn sprechen und sein Lachen, das offene , natürliche An-Lachen, das steht vor mir. seine Persönlichkeit. März 2020 .Er fuhr Spuren in die Tiefschneehänge von Davos noch, wir hatten eine ganz besondere Zeit , kamen aus dem Skiurlaub heim. Gerade noch ein bisschen Zeit ... dann geschah es. Er steht am Morgen auf wie jeden Morgen, eine Mountainnbiketour geplant, tatkräftig, unternehmungsstark wie immer. Ein Sportsmensch , ein sehr gewissenhafterMensch, der seine Gesundheit sehr genau nimmt, ist dran! Bricht beim Zähneputzen zusammen. Eile zu ihm und sehe sein abgewandtes Gesicht ! Es sagt mir , dass er seine Ruhe finden will, sterben!!! Lungenembolie, fulminante Lungenembolie, so lautet die Diagnose später.

    Ich lege meinen Arm vorsichtig unter seinen Kopf, flüstere seinen Namen . Franz. Er fühlt sich sichtlich geborgen in meinem Arm und will sterben. Dann schreie ich , dass er bei mir bleiben soll, dass er mich nicht im Stich lassen soll !!!!!! Wunder , er reisst seinen Augen nochmal weit auf und focussiert mich .. von weit her schon.. Er war sicher erschrocken und fühlte sich verantwortlich für mich, wie immer. Ich lasse ihn kurz aus den Augen um Notarzt zu rufen, ich eile in die Praxis Stock tiefer , um die Arzthelferinnen herbeizurufen .... Da hat er sich nochmal auf einen Stuhl im Nebenzimmer geschafft ,nicht zu fassen. Ins Bett gebracht, wo er mich aus leicht geöffneten Augenschlitzen noch bei Bewusstsein liebevoll ,seinen ganz vertrauensseligen Blick auf mich gerichtet, anblickt. Das ist mein letztes Bild von Franz, mein letztes sprachloses Gespräch,ich fasse es nicht!

    Notarzt stürmt herein. Franz hyperventiliert vor Angst jetzt, denn er weiss ,selbst Arzt, genau, was nun losbricht- Reanimation. Paar Tage. künstliches Koma. Verabschiedung in Zeiten von Corona, also einmaliger Besuch zum Abschiednehmen.Wenn ich ihm vorher jeden Abend( Intensivschwester Dominique hielt Hörer an sein Ohr) durchs Telefon gute Worte in seinem Ohr gesagt hatte, war nun kein Gutenachtgruss mehr. Das war Ende März .Und die Beerdigung in engstem Kreis mit unseren beiden erw Kindern war... Und ich war kontrolliert und " stark". Kennt Ihr diese " Scheinstärke"?


    Heute Qualen , nur Sehnsuchtsqualen und Fassungslosigkeit jetzt! Der April, ich weiss nicht mehr, wie belschwer, betäubt ich den herumgebracht habe, denn heute ist 1. Mai.

  • liebe weisse Rose,


    erst mal mein tiefes beileid für deinen verlust - du konntest noch garnicht richtig realisieren was passiert ist..... und ein liebes willkommen hier im forum


    wir können uns hier den schmerz nicht nehmen, aber es tut gut den schmerz zu teilen mit anderen die den gleichen schmerz fühlen.... ich bin froh in diesem forum zu sein.


    oja, diese "scheinstärke" kenne ich auch... man funktioniert wie ein automat, wie ein roboter.... alles ohne gehirn, alles ohne sinn und verstand....solange aufgaben anstehen wie amts-kram und sich kümmern um beerdigung und trauerfeier funktioniert man.... danach kommt das tiefe loch und die fassungslosigkeit wird immer stärker, der schmerz wird immer größer.....


    nie mehr.....;(


    es ist schön dass du dich von deinem mann trotz corona verabschieden durftest, meine hochachtung vor dieser gütigkeit der ärzte :30:


    lieber gruß von Bine

  • Mein tiefempfundenes Beileid und ein trauriges Willkommen in unserer Mitte.

    Diese Sehnsucht, dieses Heimweh nach unserem verlorenen Liebsten kennen wir alle.

    Es ist, als ob es uns das Herz zerreißt, man wird so entsetzlich kraftlos.

    Am Anfang war ich auch tapfer, habe versucht stark zu sein und funktioniert. Im Moment ist es einfach nur schwer, ganz besonders in Zeiten von Corona.

    40 gemeinsame Jahre, 37 davon verheiratet, 2 erwachsene Kinder... mit einem Schlag ist alles anders, alle Zukunftspläne dahin.

    Auch 6 Monate danach bin ich immer noch fassungslos, kann kaum begreifen, dass mein Liebster nie mehr wiederkommt.

    Dein Verlust ist noch so frisch, es braucht viel Zeit, um diesen Schicksalsschlag zu verarbeiten.

    Schreibe dir den Kummer von der Seele, wir wissen, wie es dir jetzt geht.

    Sei lieb gegrüßt

    Sabine

  • liebe weiße rosen,

    siehst du, es hat doch geklappt, du bist jetzt an der richtigen stelle angekommen.

    der schock ist immens, du brauchst jetzt viel zeit und ruhe, bis du alles wahrnehmen kannst.

    diese stärke hatte ich anfangs auch, vielleicht auch eher eine schockstarre.


    hier im forum kannst du dir alles von der seele schreiben, es ist immer jemand da, der es liest.

    ich wünsche dir viel kraft auf deinem schweren weg.

    liebe grüße

    flora

  • Liebe weiße Rose!

    Erst mal mein aufrichtiges Beileid und schön,das du hier bist ,da kannst du alles schreiben

    was dich bewegt und hier versteht jeder deinen Schmerz,denn wir alle sind ja betroffen.

    Ja diese Scheinstärke kenne ich gut.Habe auch sofort als erstes Adressen rausgesucht

    für die Karten.Einige angerufen.Ich weiß nicht wie ich das geschafft habe,aber ich hatte

    es gar nicht richtig begriffen und das Gefühl,als müßte ich für jemanden etwas erledigen.

    Ja man will es einfach nicht wahrhaben.Aber an dem Tag der Beerdigung war ich nicht stark.

    Da habe ich es erst richtig begriffen,das es mein Mann ist,der verstorben war.Alles ungerecht

    auf dieser Welt.Und dann war es bei dir auch noch in der Corona Zeit.

  • Liebe weisse Rose,


    die Schilderung deines Verlustes geht mir nahe. Schreibe dir hier vieles von der Seele... es ist tröstlich und hilfreich. Wir

    verstehen es und empfinden alle ähnlich.

    Du bist hier gut aufgehoben.


    LG Luise

  • Ich antworte dir hier.

    Durch die Liebe sind wir geworden, wie wir sind.

    Wer weiß, wie sich unser Leben entwickelt hätte, was aus uns geworden wäre, hätten wir nicht diese große Liebe gefunden.

    Ja, der Preis ist hoch und mir kam schon oft der Gedanke, ach wäre ich doch zuerst gestorben.

    Trotzdem, Liebe zu erfahren ist eine große Gnade, die nicht jedem zuteil wird.

    Die Erinnerung an viele wunderbare Jahre, Höhen und Tiefen, allergrößte Vertrautheit, unsere Kinder... das ist es, was bleibt.
    Ich hoffe so sehr, dass ich irgendwann einfach nur dankbar sein kann, dass es meinen Mann gab und ich ihn sehr sehr lange für mich hatte.

    Aber ich fürchte, das wird noch eine Weile dauern, der Schmerz ist noch zu groß.

  • Du hast mir gut überlegt auf diese anklagende Frage geantwortet.

    Der Preis ist übertrieben hoch für diesen " Einsatz" sich in einem Menschen fallenzulassen, so geht es mit mir umher.

    Erinnerungen, von denen Du schreibst, würden irgendwann zur Dankbarkeit. So stand es doch in all den Kondolenzkarten...

    Bisher bewirken Erinnerungen bei mir das Gegenteil : Sie tun weh. Erinnerungen ans Meer , aua. Erinnerungen an Sonntagsessen abends zuahsue .aua. Erinnerungen ,wie er neulich in der Schweiz vom Skifahren kam mit der Engadiner Nusstorte in der Hand. auaaaaaa. Vorallem diese Tretminen in der ganzen Wohnung ! Kennst du die, es fällt dir ein Gebrauchsgegenstand von ihm überraschend in die Hand und schon meinst er spricht daraus. Ich greife die Griffe ab, Zahnbürste, Kaffeetasse.... um seine Hand nachzuvollziehen.

    Erinnerungen an die Tiefen. Du bist ehrlich. Die haben einem zusammengeschweisst. Sie zun mir heute sogar leid, ich muss aufpassen keine falschen ( oder wahren) Schuldgefühle zu bekommen im Rückblick.


    Ich danke dir für deine Aussicht auf Dankbargefühle in unserer Erinnerung. Grönemeyer sind die tollesten Lieder über dieses Thema , klar. In einem Lied singt er über die Erinnerungen, die sich " quer übers Herz legen".

  • ich hoffe, liebe Sonne, dass ich jetzt nach allen Herumirrens bei Euch im richtigen Teil bin. Aber ich weiss nicht, ob ich öffentlich schreiben / antworten soll oder auf Pinnwand... einmal so, dann wieder so, ich bin allg leicht deppert im Moment

  • Natürlich gab es auch Tiefen, in 40 gemeinsamen Jahren ist nicht alles immer eitel Sonnenschein.

    Aber besonders die gemeinsam bewältigten Probleme schweißen zusammen. Für uns war immer klar, wie gehören zusammen.

    Und ja, auch mir tun im Nachhinein viele Sachen leid und ich muss aufpassen, dass sie in meiner Erinnerung nicht zu viel an Bedeutung gewinnen.

    Auf der Beisetzung meines Mannes wurde "der Weg" von Grönemeyer gespielt. Ich wollte ein Lied von jemandem, der weiß, wovon er singt.

    Auch bei mir ist mein Mann allgegenwärtig, in so vielen Gegenständen, Fotos und dem Blut, das er hinterlassen hat.

    All diese Sachen tun furchtbar weh.

    Ich bin in psychotherapeutischer Behandlung, ohne sie würde ich diese Zeit nicht überstehen.

  • Liebe weiße Rose,


    auch ich will dir ein leises Willkommen senden und dir mein Mitgefühl aussprechen.


    Es ist alles noch so frisch. :30:


    Es dauert sehr lange das Schreckliche und Unfassbare zu begreifen, zu realisieren und damit leben zu lernen.


    Plötzlich steht man alleine da.


    Man fühlt sich von allem abgeschnitten und kann gar nicht fassen, was da geschehen ist.

    Es ist, als wäre eine Lawine über uns niedergegangen und man liegt nun hilflos und schutzlos unter den Schneemassen begraben.

    Jedenfalls fühlte ich mich so.


    Ich habe mehrere Menschen verloren. Meine leiblichen Eltern, meine Pflegeeltern, den Vater meiner Kinder und meine engste, vertrauteste Freundin.


    Zuerst habe ich versucht, die Tapfere zu spielen. Habe das Meiste mit mir selbst ausgemacht, habe vieles verdrängt.


    Aber das ist mir nicht gut bekommen. Es hat mich krank gemacht.


    Daher, liebe weiße Rose, lass alle deine Gefühle heraus. Such dir jede Hilfe, die du finden kannst.


    Nimm dir die Zeit, die du zum trauern

    brauchst.

    Lass dir auch von niemanden einreden, wie du zu trauern hast.

    Höre nur auf dich. Allles ist richtig.


    Was mir geholfen hat, war das Schreiben. Bevor ich das Forum kennenlernte, habe ich viele Schulhefte vollgeschrieben. Manchmal habe ich meinen Lieben Briefe geschrieben und manchmal habe ich mir auch ihre Antwortbriefe selbst geschrieben.

    Ich schrieb manchmal stundenlang.

    Ich schrieb das verrückteste Zeug. Aber es half.....


    Es ist gut, dass du hierher gefunden hast.


    Wir alle hier wissen, was Du gerade duchmachst und wenn Du es zulässt, begleiten wir Dich gerne ein Stückchen auf Deinem weiteren Weg.


    Den Schmerz können wir dir nicht wegnehmen, aber wir können Dir ein wenig tragen helfen.


    Fühl dich hier aufgehoben und verstanden.


    Wir hören dir zu und du darfst alles "herauslassen", was dich quält.


    Es gibt hier kein richtig oder falsch, kein "sowas sagt man nicht".

    Alle deine Gefühle sind o.k.

    Sei es Trauer, Zorn, Wut, Fassungslosigkeit, Angst usw. Alles darf sein.


    Ich denke, hier bist du gut aufgehoben.


    Komm gut durch die Nacht und den morgigen Tag.


    Ich umarme dich sanft und halte deine Hand - aber nur wenn du möchtest. :8:


    Alles Liebe

    blaumeise


    PS

    schreib hier im öffentlichen Teil. Da findet dich jeder. Auf der Pinnwand finden dich die wenigsten.

  • Guten Morgen liebe Blaumeise ( kein anderer Vogel ist wach, es ist 4.40h) !


    Danke für deine Zuwendung. Du nimmst mich auf in Eueren Kreis. Du erklärst mir, was " normal " in unserer Trauer ,sonst würde ich noch annehmen ich bin es nicht mehr. Man will " normal" sein möglichst rasch. Aber für mich stelle ich fest, dass ich wie verrückt bin. Verrückt, wenn ich " ihn" jeden Morgen noch begrüsse, indem ich diesen am Bügel am Fenster baumelnden Walkjanker " begrüsse" , die Jacke fest umarme und meine Nase hineindrücke . Und ja, sein Duft hängt noch darinnen. An seinem Geburtstag am 29. April wollte ich die Jacke garnimmer loslassen. Arbeit. Ich stürze mich darauf, weil man doch sagt, wie sie heilt, die Arbeit. Folgte seinen Spuren in den Garten, wo er sich festarbeitete damsl vor paar Wochen . Ich arbeitete ungewohnte Gartenarbeit , aber ich machte nur die Amseln nervös dabei. Wie Du auch schreibst, ich lasse mich nicht zusehr hängen, es ist normal, wenn der Trennungsschmerz sogar grösser wurde.


    Vielleicht weichen allmählich die Schleier und die Erkenntnis folgt. Die grausame Erkenntnis, dass er wirklich nicht mehr antwortet , kommt...

    Du siehst es als Lawinenabgang und fühlst Dich begraben. Dann müsstest Du ersticken unter der Lawine. Du hast auch schon viel versucht aus dir herauszuholen: Das Schreiben. Hat es Dir gut geholfen? Daran dachte ich auch schon. Ich werde es verfolgen, das Schreiben.



    Alles Gute für einen erträglichen Samstag . Weisse Rosen

  • LIebe Helga,


    ich mochte ihn , seine Lieber, ja schon immer: Wie GUT er ist, kapiere ich jetzt erst in meiner tiefen Trauer; denn Herberts Traurigkeit hörbar und spürbar bis tief hinein. Er klagt, er jammert, er sehnt sich, er seufzt und verzehrt sich... ER weiss, wovon der singt.

    Liebe Sonntagsgrüsse

  • Liebe Weiße Rose,

    Ich hatte in deinen anderen Thread geschrieben- deshalb schreib ich es hier nochmal. Den anderen hab ich gelöscht um Verwirrung zu vermeiden.


    Liebe Weiße Rose,

    Dein Verlust tut mir sehr leid. Auch wenn der Anlass ein sehr trauriger ist, möchte ich dich im Forum herzlich willkommen heißen. Einen so unerwarteten Tod zu begreifen dauert. Und ich hoffe sehr das dir das Schreiben hier und der Ausstausch beim verarbeiten hilft.


    Maik.Holmer und ich sind Trauerbegleiter und stehen jederzeit für Fragen zu Verfügung.

    Ich habe deinen Beitrag in "Verlust des Partners" verschoben- so können dich andere Gleichgesinnte besser finden.


    Alles Liebe & viel Kraft <3

    Isabel