Gedichte, Geschichten, Zitate und Aphorismen für jeden Tag

  • Zärtliche Nacht

    Es kommt die Nacht

    da liebst du

    nicht was schön -

    was hässlich ist.

    Nicht was steigt -

    was schon fallen muss.

    Nicht wo du helfen kannst -

    wo du hilflos bist.

    Es ist eine zärtliche Nacht,

    die Nacht da du liebst,

    was Liebe

    nicht retten kann.


    Hilde Domin

  • The Mountain Poem


    If the mountain seems too big today then climb a hill instead

    if the morning brings you sadness it’s okay to stay in bed
    if the day ahead weighs heavy and your plans feel like a curse
    there’s no shame in re-arranging don’t make yourself feel worse
    if a shower stings like needles and a bath feels like you’ll drown
    if you haven’t washed your hair for days don’t throw away your crown
    a day is not a lifetime a rest is not defeat
    don’t think of it as failure just a quiet kind retreat
    it’s okay to take a moment from an anxious fractured mind
    the world will not stop turning while you get realigned
    the mountain will still be there when you want to try again
    so climb it in your own time and love yourself til then

    (Laura Ding-Edwards)



    Wenn dir der Berg heute zu groß erscheint, dann besteige stattdessen einen Hügel

    Wenn der Morgen dich traurig macht, dann ist es in Ordnung, im Bett zu bleiben

    Wenn der vor dir liegende Tag schwer wiegt und sich deine Pläne wie ein Fluch anfühlen,

    dann ist es keine Schande, sich neu zu organisieren

    Wenn eine Dusche wie Nadelstiche sticht und ein Bad sich anfühlt, als würdest du ertrinken

    Wenn du dir tagelang nicht die Haare gewaschen hast, wirf deine Krone nicht weg

    Ein Tag ist kein Leben, eine Pause ist keine Niederlage

    Betrachte es nicht als Versagen, sondern als einen ruhigen Rückzug

    Es ist in Ordnung, sich eine Auszeit von einem ängstlichen, gebrochenen Geist zu nehmen

    Die Welt wird nicht aufhören, sich zu drehen, während du dich neu ausrichtest

    Der Berg wird immer noch da sein, wenn du es wieder versuchen willst

    Also besteige ihn in deiner eigenen Zeit und liebe dich bis dahin


    (Eigene Übersetzung)

  • Dunkler Falter

    Wenn zwei Eheleute zum Sternenhimmel starrn,

    oder ein Bruder hält seiner lieben Schwester das Garn,

    oder ein Freund schenkt bedachtsam dem Freunde ein -

    schwebt ein dunkler Falter über den zwein:

    einer von uns muss hinter dem Sarge gehn,

    dran im Straßenwinde die Schleifen wehn,

    einer von uns muss streun mit kalter Hand

    Erde hernieder vom bretternen Grabesrand,

    einer von uns muss gehn nach Haus allein -

    lieber Gott, lass mich der andere sein!


    Börries von Münchhausen

  • Wenn jemand mit seinen Gefährten nicht Schritt hält, so tut er es vielleicht deshalb nicht, weil er einen anderen Trommler hört. Lasst ihn zu der Musik marschieren, die er hört, wie auch ihr Takt und wie fern sie selbst auch sei.


    Henry David Thoreau

  • Herbsttag


    Herr: es ist Zeit. Der Sommer war sehr groß.

    Leg deinen Schatten auf die Sonnenuhren,

    und auf den Fluren laß die Winde los.

    Befiel den letzten Früchten voll zu sein;

    gib ihnen noch zwei südlichere Tage,

    dränge sie zur Vollendung hin und jage

    die letzte Süße in den schweren Wein.

    Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr.

    Wer jetzt allein ist, wird Es lange bleiben,

    wird wachen, lesen, lange Briefe schreiben

    und wird in den Alleen hin und her

    unruhig wandern, wenn die Blätter treiben.


    Rainer Maria Rilke

  • Herbstgedicht


    Die Blätter fallen, fallen wie von weit,

    Als welkten in den Himmeln ferne Gärten;

    Sie fallen mit verneinender Gebärde.

    Und in den Nächten fällt die schwere Erde

    Aus allen Sternen in die Einsamkeit.

    Wir alle fallen. Diese Hand da fällt.

    Und sieh dir andre an: es ist in allen.

    Und doch ist Einer, welcher dieses Fallen

    Unendlich sanft in seinen Händen hält.


    (Rainer Maria Rilke)

  • Das Gedicht war der Abschluss unserer Trauerrunde am vergangenen Mittwoch

  • Geht es dir gut,

    werde ich gefragt

    im Vorübergehn.

    Doch, gut, sage ich

    und zeige das passende Gesicht:

    Mein gutgehendes Gesicht.

    Mein anderes Gesicht

    verberge ich liebevoll

    unter meiner Kleidung.

    Zuhause ziehe ich

    mich aus.

    Dann darf es seine Trauer tragen.

    Renate Salzbrenner


  • Ich sehe dich nicht

    Dein Körper
    wurde mit Erde
    zugedeckt.
    Ich höre dich nicht.
    Deine Stimme
    rückt ferner
    von Tag zu Tag.Meine Hände
    fassen nach dir
    und greifen
    ins Leere.
    Aus deinen
    Kleidern
    verfliegt mir
    der letzte Duft.
    Und doch bist
    du da -
    in mir.
    (Renate Salzbrenner)






  • Keiner wartet

    Alle müssen sie heim. Nur ich muß nicht müssen.
    Keiner wartet, daß ich ihm das Essen richte.
    Keiner sagt, komm, setz dich her. Wie bist du müde!
    Schneidet mir keiner das Brot.

    Keiner weiß, wie ich war mit achtzehn, damals.
    Keiner stellt mir den ersten Flieder hin,
    Holt mich vom Zug mit dem Schirm.

    Ist keiner, dem ich beim Lampenlicht lese,
    Was der Chinese vom Witwentum sagt:
    „Die Gott liebhat, nimmt er zu sich,
    Ehe er ihr den Geliebten nimmt.“

    (Mascha Kaléko)

  • Der November (von Erich Kästner)


    Ach, dieser Monat trägt den Trauerflor...

    Der Sturm ritt johlend durch das Land der Farben.

    Die Wälder weinten. Und die Farben starben.

    Nun sind die Tage grau wie nie zuvor.

    Und der November trägt den Trauerflor.


    Der Friedhof öffnete sein dunkles Tor.

    Die letzten Kränze werden feilgeboten.

    Die Lebenden besuchen ihre Toten.

    In der Kapelle klagt ein Männerchor.

    Und der November trägt den Trauerflor.


    Was man besaß, weiß man, wenn man's verlor.

    Der Winter sitzt schon auf den kahlen Zweigen.

    Es regnet, Freunde. Und der Rest ist Schweigen.

    Wer noch nicht starb, dem steht es noch bevor.

    Und der November trägt den Trauerflor.

  • Der Dezember (von Erich Kästner)


    Das Jahr ward alt. Hat dünne Haar.

    Ist gar nicht sehr gesund.

    Kennt seinen letzten Tag, das Jahr.

    Kennt gar die letzte Stund.


    Ist viel geschehn. Ward viel versäumt.

    Ruht beides unterm Schnee.

    Weiß liegt die Welt, wie hingeträumt.

    Und Wehmut tut halt weh.


    Noch wächst der Mond. Noch schmilzt er hin.

    Nichts bleibt. Und nichts vergeht.

    Ist alles Wahn. Hat alles Sinn.

    Nützt nichts, daß man's versteht.


    Und wieder stapft der Nikolaus

    durch jeden Kindertraum.

    Und wieder blüht in jedem Haus

    der goldengrüne Baum.


    Warst auch ein Kind. Hast selbst gefühlt,

    wie hold Christbäume blühn.

    Hast nun den Weihnachtsmann gespielt

    und glaubst nicht mehr an ihn.


    Bald trifft das Jahr der zwölfte Schlag.

    Dann dröhnt das Erz und spricht:

    "Das Jahr kennt seinen letzten Tag,

    und du kennst deinen nicht."

  • Als ich mich selbst zu lieben begann

    konnte ich erkennen,dass emotionaler Schmerz und Leid

    nur Warnungen für mich sind, gegen meine eigene Wahrheit zu leben

    Heute weiß ich, das nennt man AUTENTISCH SEIN


    Als ich mich selbst zu lieben begann

    verstand ich, wie seh es jemanden beeinträchtigen kann,

    wenn ich versuche, diesem Menschen meine Wünsche aufzuzwingen,

    auch wenn ich eigendlich weiß, dass der Zeitpunkt nicht stimmt

    und dieser Mensch nicht dazu bereit ist - und das gilt auch,

    wenn dieser Mensch ich selbst bin.

    Heute weiß ich, das nennt man RESPEKT


    Als ich mich selbst zu lieben begann

    habe ich aufgehört mich nach einem anderen Leben zu sehnen

    und konnte sehen, dass alles um mich herum

    eine Aufforderung zum Wachsen ist

    Heute weiß ich, das nennt man REIFE


    Als ich mich selbst zu lieben begann

    habe ich verstanden, dass ich immer und bei jeder Gelegenheit

    zur richtigen Zeit am richtigen Ort bin

    und das alles was geschieht, richtig ist - von da an

    konnte ich gelassen sein

    Heute weiß ich, das nennt man SELBSTVERTRAUEN


    Als ich mich selbst zu lieben begann

    habe ich aufgehört, mich meiner freien Zeit zu berauben

    und ich habe aufgehört weitere grandiose Projekte für die Zukunft zu entwerfen

    Heute mache ich nur das, was mir Spaß und Freude macht,

    was ich liebe und was mein Herz zum Lachen bringt

    auf meine Art und Weise und in meinem Tempo

    Heute weiß ich, das nennt man EINFACHHEIT


    Als ich mich selbst zu lieben begann

    habe ich mich von allem befreit, was nicht gesund für mich war

    von Speisen,Menschen,Dingen, Situationen

    und vor Allwm, das mich immer wieder hinunterzog, weg von mir selbst

    Anfangs nannte ich es Gesunden Egoismus

    Heute weiß ich , das nennt man SELBSTLIEBE


    Als ich mich selbst zu lieben begann

    habe ich mich geweigert, weiter in der Vergangenheit zu leben

    und mich um meine Zukunft zu kümmern

    Jetzt lebe ich nur noch in diesem Augenblick, wo Alles stattfindet

    So lebe ich heute jeden Tag und nenne es ERFÜLLUNG


    Als ich mich selbst zu lieben begann

    da erkannte ich, dass mich mein Denken armselig und krank machen kann.

    Doch als ich es mit meinem Herzen verbunden hatte

    wurde mein Verstand ein wertvoller Verbündete

    Diese Verbindung nenne ich heute WEISHEIT DES HERZENS


    Wir brauchen uns nicht weiter vor Auseinandersetzungen, Konflikten

    und Problemen mit uns selbst und anderen fürchten

    denn,

    sogar Sterne knallen manchmal aufeinander

    und

    es entstehen neue Welten

    Heute weiß ich DAS IST DAS LEBEN


    ( Charlie Chaplin )
                            


             

  • Du hast ein Recht auf Deine Trauer

    Du darfst Dich Deinen Verlusten widmen,

    musst nicht verdrängen, was Dich beschwert.

    Du hast ein Recht, das abzutrauern,

    was Dich so tief enttäuscht hat

    und was Du nicht ändern kannst.

    Du hast ein Recht auf Deine Tränen,

    auf Dein Schweigen,

    auf Deine Ratlosigkeit,

    auf Deine innere und äußere Abwesenheit.

    Du musst nicht den Glücklichen spielen,

    nicht über den Dingen stehen.

    Du hast ein Recht, die wegzuschicken,

    die Dich mit Gewalt aus Deiner Trauer herausholen wollen,

    weil Deine Trauer sie selbst bedroht.

    Du hast ein Recht auf Deine Trauerzeit.

    Du hast ein Recht,

    mit denen nicht reden zu wollen,

    die Dir ein schlechtes Gewissen machen

    für Deine Dunkelheit und Trauer,

    die mit Sprüchen kommen

    und Dich mit diesen Sprüchen

    unter Druck zu setzen versuchen.

    Du hast ein Recht auf Deine Trauerstille.

    (aus „Grundrechte – Ein Manifest“ von Ulrich Schaffer)

    https://www.cornelia-tromm.de/…echt_auf_Deine_Trauer.pdf

  • Das Herz


    Das Herz ist ein lebendiges, schnell wandelbares Wesen.


    Als ich Dich kennenlernte lachte es.

    Als ich Dich zum ersten Mal in den Armen hielt,

    hüpfte es vor Freude.

    Beim ersten Streit verdunkelte es sich

    und nach der Versöhnung hellte es sich wieder auf.


    Im Laufe der Jahre dehnte es sich oft,

    zog sich wieder zusammen

    und dehnte sich wieder aus.


    Als du gingst

    blieb es stehen.

    Und machtlos sah ich zu wie es zerbrach.


    Beide Hälften drehten sich um und wurden zu Tränen.

    Geweinte und Ungeweinte


    Jetzt bin ich auf der Suche,

    der Suche nach Wegen die den Schmerz lindern

    und die zerbrochenen Teile wieder zusammenfügt.


    Die Narbe, die zurückbleibt, ist die Verbindungslinie zwischen uns