Liebe Menschen hier,
erstmal möchte ich sagen, wie toll ich dieses Forum finde. Es ist so aktiv und jeder findet offene Ohren und auf jeden wird so toll eingegangen, das ist wirklich großartig!
Ich bin völlig überrollt und traurig. Vorgestern Abend ist mein Vater mit 71 Jahren gestorben. Ihm ging es schon eine Weile, ein paar Wochen, nicht gut und er sah auch echt schlecht aus, aber niemand hätte gedacht, dass es so ernst ist. Am Donnerstag Abend ist er ins Krankenhaus gefahren auf Anraten des Hausarztes und ein paar Stunden später war er tot, einfach so eingeschlafen. Es war eine Herzmuskelentzündung, die sein vorgeschädigtes Herz nicht verkraftet hat.
Ich lebe mit meinem Freund und unserem kleinen Baby ca 110 km entfernt von meinem Elternhaus (es tut weh, nicht mehr zu schreiben „von meinen Eltern“). Als wir die Nachricht erhalten haben, waren wir völlig erstarrt, im Schock. Wussten nicht was wir sagen, machen sollen, außer unseren kleinen Sohn weiterhin zu versorgen. Es fühlt sich so paradox an, zehn Minuten nach solch einem Anruf eine Windel zu wechseln.Ansonsten saßen wir nur auf dem Sofa und haben die Wand angestarrt, es ging wirklich gar nichts.
Die Tage gestern und heute sind geprägt von Tränen und Erinnerungen. Ich könnte seitenweise über meinen Vater schreiben, ein wahnsinnig kluger, belesener und interessierter Mann. Zeitlebens ein wenig brummig, aber seit vor 2,5 Jahren sein erster Enkel, mein Neffe, geboren wurde, ist er richtig erweicht und zum Vorzeigeopa geworden. Seine Enkelsöhne waren sein Ein und Alles und er hat sich sehr darauf gefreut, wenn unser Junior erst einmal etwas größer ist und mit seinem großen Cousin im Garten in der Sandkiste spielt.
Da es sonst den Rahmen sprengen würde, möchte ich zu dem Punkt kommen, der mich neben meiner Trauer so zermürbt. Ich kriege es nicht hin, mich auf mich zu konzentrieren.Es ist anstrengend genug, um den Vater zu trauern und ein voll gestilltes Baby zu versorgen, aber ich leide dazu noch total mit allen anderen mit.
Natürlich mit meiner Mutter, die nach 40 Jahren Ehe alleine ist. Ich habe regelrecht ein schlechtes Gewissen, dass wir hier als kleine Familie sitzen, einander haben und mit unserem Kleinen den lebenden Beweis dafür, dass das Leben weitergeht. Dass es uns irgendwann besser gehen wird. Sie ist jetzt alleine im Haus mit einer zunehmend dementen Oma. Zwar lebt ein Teil der Familie nebenan und wir alle kommen oft zu Besuch, aber trotzdem bleibt die Leere im Haus, morgens beim Kaffee, abends auf dem Sofa. Wie gut geht es uns dagegen…
Mein kleiner Neffe tut mir so leid, er sucht seinen Opa und versteht das alles nicht. Ich könnte nur heulen wenn ich an ihn denke.
Mein Freund hat kein so gutes Verhältnis zu seinem eigenen Vater. Und mit meinem Papa hat er sich wunderbar verstanden. Als meine Eltern das letzte Mal hier zu Besuch waren, hat er mit Papa stundenlang zusammen in der Küche gesessen, Kaffee getrunken und richtig gute Gespräche geführt. Das hatte er mit seinem Vater nie. Kaffee ist die Leidenschaft meines Freundes und er fand es einfach so schön, wie interessiert mein Papa war, nachgefragt hat, sich direkt auch ins Thema reinfuchsen wollte (er hat sich wirklich für ALLES interessiert!).
Mein Vater hat ihm kürzlich zum Geburtstag dann ein Paket richtig guten, teuren Kaffee geschenkt. Wir haben davon getrunken, aber einen Teil hat mein Freund extra aufgehoben, weil er ihn gerne beim nächsten, bereits geplanten, Besuch mit meinem Vater zusammen trinken und wieder so ein schönes Männergespräch führen wollte.
Darauf hatte er sich richtig gefreut und er ist einfach so traurig dass es nie dazu kommen wird. Und das zerreißt mir auch das Herz.
Meine über 90jährige Oma (mütterlicherseits) versteht die Welt nicht mehr und weint nur. Erst im November ist ihr Mann, mein Opa, mit über 100 Jahren verstorben. Sie steckt noch mitten in der Trauer, ist zunehmend verwirrt und kann jetzt einfach nicht verstehen, was passiert ist. Opas Tod habe ich gut verwunden. Er war ein klasse Opi, aber des Lebens müde und bereit zu gehen.
Mich frisst das alles auf, ich weine für alle mit. Und muss doch auch an mich denken dabei. Und natürlich an meinen kleinen Sohn, der den ganzen Tag fröhlich ist und lacht und kuscheln und trinken will und wie immer Spaziergänge und frische Windeln braucht. Es sind so viele Dinge und ich weiß nicht, wie ich das alle emotional unter einen Hut bringen soll.
Wir müssten eigentlich so schnell es geht zu meiner Mutter fahren, aber ich fühle mich gerade einfach nicht bereit dafür, den Rest der Familie in ihrer Trauer zu sehen. Gefühlt müssen wir drei hier erstmal klarkommen. Und das macht mir schon wieder ein schlechtes Gewissen. Aber wir telefonieren mehrmals täglich und meine Mutter sagt, dass wir überhaupt nichts müssen. Wir sollen uns an dem Kleinen erfreuen und jeden Tag so gestalten, wie es uns guttut. Sie gibt sich sehr tapfer und ist nicht allein. Trotzdem fühle ich mich schlecht weil ich nicht dort bin.
Jetzt habe ich so viel geschrieben und ich hoffe, jemand liest alles…ich werde jetzt versuchen, mal ein bisschen zu putzen und an meinen Blumen auf dem Balkon zupfen, das hilft mir. Ich komme mir komisch vor, dass ich mich auch noch mit meinen Pflanzen beschäftige und sogar gestern Abend etwas in meinem Krimi gelesen habe (wie fast alle meine Bücher von Papa weitergegeben, wir sind beide wahnsinnige Leseratten) und wir uns eine Weile über andere Dinge (Kitaplatz-suche, Arbeit etc) unterhalten haben.
Wie war es bei Euch so frisch nach dem Tod Eurer Lieben?
Danke an jeden, der das hier gelesen hat