Hallo liebe Forumsmitglieder,
den meisten hier bin ich nicht bekannt aber vielleicht erinnert sich der eine oder andere an mich.
Ich bin seit 2017 hier Mitglied, habe allerdings im letzten Jahr kaum geschrieben und in den letzten Monaten auch wenig gelesen.
2018 ist sooo viel passiert. Zuerst war ich Anfang des Jahres viele Wochen in einer Klinik wegen meiner sehr schweren Depression und dann kam eine Krebsdiagnose dazu und die sich daran anschließende Chemo hat mich oft so lahmgelegt, dass ich unfähig war auf andere empathisch einzugehen und daher hier nicht mehr so viel schrieb.. Die Chemo ist nun vorbei und die sich daran anschließende OP im Januar dieses Jahres ist auch "erfolgreich" ( so ich den Ärzten glauben darf ) verlaufen. Kaum war ich wieder zu Hause , starb Mitte Januar dann mein Expartner - der Vater meiner Kinder - an Krebs und ich fühle mich nun wie zerquetscht und durchgemahlen, am Boden zerstört und im freien Fall. Ich hätte nie gedacht, dass mich dieser Todesfall so mitnimmt.
Mir wurden schon viele , mir sehr liebe,nahestende Menschen, vom Tod weggenommen. Meine Mutter hat sich, als ich 11 Jahre alt war, vor den Zug geworfen, meine herzensgute Pflegeeltern verunglückten beide tödlich ( an einem Tag ), dann starb mein leiblicher Vater ( hier war/ ist die Trauer nicht so groß ) und 2017 verlor ich meine vertrauteste, engste, Freundin.( der Grund warum ich mich hier angemeldet hatte ).Sie war für mich Mutter, Mentorin, Freundin und fast Partnerin in einer Person. ( keine sex. Beziehung aber fast wie ein Ehepartner,ich hoffe, ihr versteht wie ich das meine.) und ich trauere noch immer stark um sie.
Und nun starb mein Exmann.
Mein Umfeld versteht meine Trauer um ihn nicht - im Gegenteil - sie wundern sich, sprechen mir meine Gefühle ab . Er war mein Ex, wir lebten nicht zusammen und er hatte mich und die Kinder wegen einer anderen Frau verlassen und es sind umschöne Dinge vorgefallen. Aber darf ich deswegen nicht trauern? Muss mich sogar entschuldigen, wenn ich von ihm spreche...
Es ist so ähnlich wie damals beim Tod meiner Freundin. Dort hieß es von einigen : " war doch BLOSS eine Freundin",... "Ist doch nicht so schlimm wie der Tod eines Kindes, Eheparners, Elternteils ..." aber damals gestand man mir wenigstens eine kurze Phase der Trauer zu. Und jetzt nicht einmal das. Es heißt nun : " War dein EX !!!...", "Stell dich nicht so an"( Originalton ) , " Wie kannst du nur? Er hat dir soviel angetan..."
MICH SCHMERZT ABER SEIN TOD!!!! und das offiziell nicht trauern dürfen, bzw nicht darüber sprechen können/ sollen, macht mich fertig. Es erinnert mich so an den Tod meiner Mutter. Da wurde auch NIE WIEDER von ihr gesprochen,.Nach der Beerdigung wurde ihr Name nicht mehr genannt, es gab keine Besuche auf dem Friedhof, Bilder von ihr entfernt - es war so, als hätte sie es niemals gegeben. Sie hatte sich selbst getötet und galt in dieser bigotten Familie deswegen als Sünderin. Selbstmord galt damals als Todsünde.....und dafür hatte man sich zu schämen..! Man ging einfach zur Tagesordnung über!
Für mich als Kind war das damals sehr schlimm und ich habe erst im letzten Jahr angefangen, mich " damit" auseinander zu setzten, Trauerarbeit zu leisten....
Und jetzt stoße ich wieder auf Unverständnis.
Ja, es stimmt, wir lebten nicht mehr zusammen, waren geschieden ,aber wir kannten uns 28 Jahre! und zuletzt konnten wir freundschaftlich miteinander umgehen.
Ich habe ihn sogar bei seinem Sterben begleitet und das war ein sehr intensives Erlebnis.
Er war im KH und freitags besuchte ihn unser Sohn. Die Ärzte sagten meinem Sohn, dass sein Vater wohl die Nacht nicht überleben würde. Mein Sohn rief mich an und ich fuhr ins KH, denn ich wollte meinen Sohn nicht in dieser Situation alleine lassen ( er wollte bei seinem Vater bleiben ). Beide waren wir dann von Freitag bis Sonntag bei ihm. Ohne Schlaf, ungewaschen.Wir verliesen das Zimmer nur, um die Toilette aufzusuchen. Das Klinikpersonal kümmerte sich rührend um uns .
OKOb mein Expartner unsere Anwesenheit gespürt hat , weiß ich nicht. Er bekam Morphin per Pumpe zugeführt und war kaum ansprechbar bzw man hat ihn nicht verstanden, als er etwas sagen wollte. Ich bilde mir ein, er hätte meine Hand gedrückt, als ich seine hielt ( ist aber wohl Wunschdenken) und ich bilde mir ein, er hätte auch meinen Namen genannt. ( noch größeres Wunschdenken ). Unser Sohn hat ihn gestreichelt, ihm vieles gesagt, und als er die letzten Atemzüge machte hielt er ihn wortlos im Arm. Anschließend waren wir noch etwa 2 Stunden bei ihm und gingen dann völlig übermüdet nach Hause.
Jetzt fühle ich mich immer noch leer....aber irgendwie habe ich auch das Gefüh: alles ist rund und all die schlimmen Verletzungen,Kränkungen etc von früher sind UNWICHTIG, so belanglos....Im Augenblick trage ich ihm nichts nach...und ich hoffe, er mir auch nicht mehr ( ich war auch kein Engelchen gewesen, oft auch verletzend usw )
Interessanterweise war niemand aus seiner " neuen" Familie da.
Kummer mache ich mir um meinen Sohn. Ihn nimmt das alles sehr mit und er wirkt sehr depressiv, ist sehr antriebslos. Leider ist er der Typ Mensch ,der alles " in sich reinfrisst" und sich nicht helfen lassen will.
Daher habe ich auch meine Anschlussheilbehandlung abgesagt. Ich habe Angst ihn alleine in der Wohnung zu lassen....Seine Schwester ist, bedingt durch meine Chemo, zu ihrer Oma ( Mutter von verstorben Vater gezogen ).Mein Sohn hat zu dieser Oma ein gespaltenes Verhältnis. Vielleicht erinnern sich die "alten Hasen" hier noch an diese Probleme.
Ich hoffe, meine Kraft reicht aus, ihn zu stützen und zu halten - dabei weiß ich nicht , woher ich noch Kraft holen kann. Ich halte mich derzeit einfach an dem Glauben fest, dass man nur so viel aufgebürdet bekommt, wie man tragen kann - vielleicht stimmt das ja !??!
So, jetzt habe ich euch aber sehr zugetextet.
Danke für s bis hierher lesen.
Ich wünsche allen Trauernden hier einen halbwegs erträglichen Tag.
blaumeise
Zu der Eingangs gestellten Frage: wohin geht die Seele ? bin ich jetzt gar nicht gekommen. Aber vielleicht schreibt der eine oder andere etwas dazu