Vor 4 Wochen war meine Welt noch fast in Ordnung..

  • Hallo Ihr Lieben,


    ich bin Petra aus Wien, 56 Jahre alt und auch ich habe einen schweren Verlust erlitten. Hier ist meine Geschichte:


    Ich lernte Andi sehr spät kennen, ich war 39 und hatte zwar davor immer wieder kurze Beziehungen, aber der Mann fürs Leben war nicht darunter! Dieser wunderbare Mensch hat mich im Sturm erobert, mit Charme, Hartnäckigkeit und seiner fröhlichen Art. Er war mein 2. Teil, mein bester Freund und Lebensmensch! Nach 10 Jahren heirateten wir und wir waren unglaublich glücklich. Beide hatten wir keine Kinder und entschieden uns aus "Altersgründen" bzw-, Arbeitsgründen. So hatten wir also uns und das war uns beiden genug.


    An meinem Geburtstag im September des Vorjahres erlitt Andreas einen epileptischen Anfall, der fast 2 Stunden dauerte. Da wir zu der Zeit in unserem Wochenendhaus waren, kam er in ein kleines Landspital. Er war über diesen Anfall so fassungslos und konnte sich das alles nicht erklären. In diesem kleinen Krankenhaus glaubte man an eine Encephalitis und behandelte ihn mit Cortison. 2 Wochen später wurde er entlassen ohne das es eine wirkliche Diagnose gab. 2 Wochen später der zweite Anfall, mein Mann rief noch selbst die Rettung und kam wieder in das Landspital. Wieder keine klare Diagnose. Irgendwann war es mir zu dumm und ich überredete Andreas sich endlich in ein großes Wiener Spital zu begeben. Im Dezember wurde eine Biopsie gemacht und da kam die ganze schreckliche Wahrheit zu Tage. Gehirntumor - Glioblastom IV, nicht operabel und unheilbar. Es folgte das Übliche, Chemo und später sollte noch bestrahlt werden.


    Kurz hat Andi mal seine Erkrankung im Internet gegoogelt, aber dann vollkommen ignoriert. Er wollte es nicht wahrhaben und glaubte an Heilung. Der Tumor saß am Kurzzeitgedächtnis, was sich später als Gnade erweisen sollte. Wir haben alles versucht, dass heißt ich habe organisiert und Andi ist halt mitgegangen. Im Frühjahr ging er noch hin und wieder arbeiten, aber es strengte ihn sehr an und er fand plötzlich nicht mehr heim. Von da an ging er nicht mehr ohne Begleitung außer Haus.


    Im Mai einen Tag nach seinem Geburtstag war das Kurzzeitgedächtnis fast verloren. Er konnte sich nicht mal daran erinnern, dass er am Vortag Geburtstag hatte. Er konnte nicht mehr schlafen, hatte starken Harndrang und hatte Atemprobleme . Nachdem ich wochenlang 4 bis 5 mal nachts mit ihm zum WC ging, ihm die Harnflasche anlegte oder ihm aufs Zimmerklo half, konnte ich nicht mehr, ich bin ja noch immer berufstätig. Ich konnte ihn für ein paar Tage in einer Palliativstation unterbringen und daheim alles für eine 24 Stunden Betreuung vorbereiten. Das Esszimmer wurde zum Krankenzimmer er konnte von dort aus die ganze Wohnung überblicken, war im Mittelpunkt wenn er wollte. Er kam am 17 Mai heim und war überglücklich wieder daheim zu sein. Er fand sich auch mit dem "seinem neuen Zimmer" ab und auch seinen Pfleger fand er cool. "Hey" sagte er, "wir haben jetzt eine WG".


    Es ging sehr schnell bergab, bereits Ende Mai konnte er kaum noch gehen und ich zog ein Palliativteam an unsere Seite. Die letzten Wochen saß ich stundenlang an seinem Bett, sah in immer mehr verfallen und wusste, dass es nicht mehr lange gehen würde. Das schlimmste ist aber, wir konnten darüber nie sprechen, er hat es doch so negiert und wollte es nicht wahrhaben, wie sollte ich denn fragen, ob er Angst habe oder wie sollte ich nach ganz profanen Sachen fragen, wie: wo sind eigentlich deine Dokumente - für den Notfall. Ich konnte es einfach nicht und er - er konnte es wirklich nicht mehr. Er hätte es nicht mehr gewusst. Einem Freund hat er am Anfang seiner Krankheit sein Herz ausgeschüttet und geweint. Er mache sich so große Sorgen um mich und möchte mich nicht belasten. Der Freund riet ihm: "sprich bitte mit ihr" Aber er hat es nicht und ich wusste nicht, wie ich das Thema Tod ansprechen sollte. Wie gerne hätte ich mit ihm geweint, um uns, um unsere Zukunft, über diese Hoffnungslosigkeit: Er wollte mich aber nicht mit diesen Szenarien belasten.


    Die letzten 5 Tage hat er nur noch geschlafen und ich konnte nur daneben sitzen und auf seinen Tod warten. Er hatte nie Schmerzen und auch sofort vergessen, welche tödliche Erkrankung er hatte, das war das Gnädige daran. Am 2. Juli um 4 Uhr in der früh ist er mit knapp 53 Jahren eingeschlafen. Ich war fassungslos, ich wusste doch dass es soweit kommen würde, aber ich war auf den Tod trotzdem nicht vorbereitet.


    Das ist nun auf den Tag genau 3 Wochen her und ich befinde mich in einem seelischen Vakuum. Er kommt nie wieder bei der Türe herein, er wird nie mehr "mein Schatzale" zu mir sagen, ich werde seine Wärme nicht mehr bekommen, seine Umarmung nicht mehr spüren und seinen Geruch verlieren. Es tut so unglaublich weh. Mein Lebensmensch, er ist nicht mehr. Es ist so unbegreiflich und so traurig. Er fehlt mir so! Ach, wem sag ich das, ihr kennt das ja alle!


    Wie wird es weitergehen, wie kann man nach so einem Schicksalsschlag weitermachen? Ich bekomme die Bilder der letzten Stunden und Tage nicht aus meinem Kopf, nicht weil sie so fruchtbar waren, sondern er so klein und hilflos - mein starker selbstbewusster Mann als Pflegefall. Diese Bilder schmerzen und die Lücke die er hinterlässt für mich unüberbrückbar. Dieser sch….. Krebs hat mir mein Liebstes genommen und ich muss jetzt mein Leben ungewollt alleine leben. Ich hatte so gehofft, dass er mir noch irgendwo letzte Zeilen geschrieben hätte und als sein Freund sagte, er hätte was für mich, wo Andi gebeten habe, es mir erst nach seinem Tod zu geben, da dachte ich, er hat mir etwas hinterlassen, w as ganz Persönliches, aber es war nur eine Excel-Tabelle mit Kontonummern und Polizzen - keine einzige persönliche Zeile. Da bin ich zusammengebrochen, ich hätte so sehr seine Hilfe gebraucht. Einen Satz nur, wie z.B. "Bitte lebe dein Leben, du schaffst das schon, sei nicht zu lange traurig, mach in meinem Sinne weiter" Aber da war nix, gaar nix ur zAHLEN UND Daten: Freunde sagen, als er es noch konnte, hat er seinen Tod nicht für möglich gehalten und als er es wusste, da konnte er nicht mehr schreiben. Das macht mir so zu schaffen, es wäre für mich leichter gewesen, das alles zu ertragen:


    An manchen Tagen geht es und an anderen heule ich mir die Augen aus dem Kopf. Da ich arbeiten gehen muss, muss ich mich zusammen nehmen und das geht in der Firma ganz gut, weil das ja immer Andifreie Zone war, aber das nach Hause kommen, dass ist furchtbar. Oft gehe ich nochmals um den Häuserblock, nur um nicht in die Wohnung gehen zu müssen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass dieser Schmerz je anders wird. Wie soll das nur weitergehen? Ich bin zur Zeit so unglücklich.


    Bitte bitte wünscht mir jetzt kein Beileid, das ertrage ich grad nicht. Sagt mir lieber, wie ihr das alles schafft


    Traurige Grüße

    Eure Petra

  • Bitte bitte wünscht mir jetzt kein Beileid, das ertrage ich grad nicht. Sagt mir lieber, wie ihr das alles schafft

    Liebe Petra,

    willkommen im Forum.

    Ich wünschte ich könnte Dir nun ein, zwei oder drei kluge Sätze schreiben "wie ich das schaffe".

    Das kann ich leider nicht, das können vielleicht andere besser ...

    Dennoch wollte ich Dich herzlich begrüßen.

    Tereschkowa

  • Liebe Petra,


    Da du kein Beileid möchtest , fühl dich einfach wortlos gedrückt. In den ersten Wochen ist man in einem Schockzustand , dann fängt man ganz langsam an zu begreifen was passiert ist.

    Bei mir war es so , das in den ersten 5 bis 6 Monate die Traurigkeit von morgens bis abends präsent war. Danach konnte ich mich auch mal wieder für kleine Momente über etwas freuen. Jetzt knapp 8 Monate nach Thomas seinem Verlust , gibt es manchmal einige gute Tage (weinen tue ich trotzdem jeden Tag) und dann wieder schlechte Tage. Die Trauer kommt in Wellen und der Herzschmerz auch.

    Das Vermissen und die Sehnsucht werden bleiben aber hoffentlich mit der Zeit erträglicher werden.


    Ein Rezept, wie man mit der Trauer umgehen sollte gibt es nicht. Mir helfen Gespräche mit meiner Familie und wenigen Freunden. Und natürlich dieses Forum, in dem ich auch erst seid ein paar Tagen angemeldet bin aber vorher schon viele Wochen nur mitgelesen habe.


    Liebe Grüße

    Birgit und Fine

  • Liebe Petra,mein Mann starb ganz plötzlich,wir hatten nach einem schönen Abend noch geredet,ich gehe ins Schlafzimmer,lese ein paar Minuten,schaue warum er nicht kommt....er sitzt in der Küche....niemals kann ich das Bild vergessen...

    wie weh,das tut,ohne ein Wort,ich fühle mit dir,denn auch du hattest keinen Abschied...Bei dir sind es drei Wochen,bei mir sind es7 Monate,aber ich erlebe jeden Tag neu diese unendliche Sehnsucht nach ihm,niemals werde ich das begreifen...was mir hilft....das Forum,hier kann ich meinen Schmerz ausleben und finde Menschen,die mich verstehen,Bücher....(kein Abend mehr zu zweit,nur einen Seufzer lang,der Trauer Worte geben)sonst....bin ich irgendwie weit entfernt von allem,es fehlt die Freude,ich funktioniere,mehr nicht.Schlaf ist Erlösung,aufwachen Horror,und das Heimkommen,das für dich auch so schwer ist,ja das Heimkommen kostet ganz viel Kraft und Tränen.Schreib immer,wenn du magst und kannst ,hier sind immer Menschen,die den Weg kennen,den du gehen musst....ein lieber Gruss zur Nacht,Adi

  • Liebe Petra

    Auch ich kann dir leider nicht sagen, wie man das alles schafft. Ich glaube, jeder Mensch muss den für ihn passenden Weg finden.


    Mir hilft die Beteiligung im Trauerforum.


    Meine geliebte Ehefrau hat mich mehrfach gebeten, das Leben weiter zu geniessen, wenn sie nicht mehr da sein werde. Nach ihrer Diagnose eines bösartigen Blasentumors in fortgeschrittenem Stadium blieb uns noch rund ein gemeinsames Jahr, in dem viel Nähe möglich war, wir aber auch immer wieder mit neu auftauchenden Schwierigkeiten konfrontiert wurden.


    Wie ich das Restleben geniessen soll, habe ich noch nicht herausgefunden.


    Ich versuche, auf mich zu achten, und dem in dieser Form nie gewünschten Leben eine Chance zu geben.


    Ich finde, es bleibt mir nicht viel Anderes übrig. Ich trage die Hoffnung in mir, dass das Leben mit der Zeit wieder erträglicher werden könnte, auch wenn es nie mehr sein wird, wie es war.


    Vor kurzem bin ich auf "Tigerlillys" schönen Gedanken gestossen, dass es ihr vielleicht gelingen könnte, einmal Gutes, das sie im Leben empfangen durfte, an andere Menschen weiterzugeben. Ich finde den Gedanken sehr schön, und er vermittelt mir die Hoffnung, vielleicht in dieser Weise wieder einen Sinn im Dasein erkennen zu können.


    Liebe Grüsse

    Nelson_180916

  • liebe Petra,


    sei hier im Forum willkommen und umarmt, wenn ich darf ?


    Ich lebte nach dem plötzlichen unvorhetsehbaren Tod, ja es ging meinem Mann nicht gut, aaaber dass er einfach so über Nacht starb , war in keinster Weise , vorhersehbar oder überhaupt im Raum stehend.


    Die ersten 2 -3 Wochen war ich und meine 2 gr. Kinder in einer Schock-Trauer-Blase.

    Wir konnten keinen Außenkontakt ertragen.

    Dann folgte "der bisherige Alltag" mit der stundenweisen, mehr oder weniger Ablenkung.

    Zu Hause: Stille, Tränen, nicht verstehen ...

    Rückzugsort .


    Dann fing ganz langsam, mit Rückschritten an, dass wir uns wieder mit jemanden treffen konnten, aucg mal kurz wieder lachen.

    Gem. Spaziergänge, Natur tat und tut gut.

    Die Konzentration fing an wieder zu kommen, zumindest war sie öfters da.

    Wut kam, dass er mich/uns alleine lies !

    Wut lies mich, mich lebendiger fühlen.


    Nun nach 1 Jahr und gut 1 Monat kann ich /wir oftmals am gesellschaftlichen Leben teilnehmen.

    Ich sehe die Sonne wieder scheinen und kann sie geniesen.


    Trotz all des Schocks, der Trauer, der Wut, der Verzweiflung sah ich jedoch auch seinen ! Weg voll Schmerz und Schmach die letzten 1,5 Jahre und danke für die Erlösung & bin dankbar für ihn !, dass es ihm dort wo er jetzt ist, gut geht.

    Daran glaube ich !


    Ich grüße dich

    Stille Perle

  • Liebe Petra,


    meine Silvia ist ebenfalls an einem Glioblastom gestorben und Deine Schilderung der letzten Wochen Deines Mannes weckt da wieder Erinnerungen in mir. Was heißt weckt, die Erinnerungen kommen eigentlich häufig. Diese Bilder werde ich wohl nie mehr los.


    Das schlimmste ist aber, wir konnten darüber nie sprechen, er hat es doch so negiert und wollte es nicht wahrhaben

    Ja, das keine ich, meine Silvia hat sich zu keiner Zeit mit ihrer Krankheit auseinandergesetzt. Alles lag in meiner Hand, die Gespräche mit den Ärzten, Planung der Rehas etc. Am meisten fehlt mir, dass wir nicht wirklich Abschied nehmen konnten. So vieles blieb ungesagt...


    Mittlerweile geht es mir besser. Nach einer sehr intensiven Trauerphase, in welcher ich 15 kg abgenommen habe, habe ich (auch durch äußere Einflüsse) beschlossen, wieder am Leben teilzuhaben. Klar, es kommen täglich noch Momente der Trauer, aber diese werden kürzer und kommen auch nur, wenn ich alleine bin. Ansonsten lebe ich mittlerweile einfach bewusster, erfreue mich auch an den kleinen Dingen des Lebens.


    Liebe Grüße

    Josh

  • Ich danke Euch für Eure lieben Worte. Ich weiß ja, dass ihr das alle auch erlebt habt, aber man denkt, "mein Fall ist aber doch ganz anders" . Aber Trauer ist Trauer, egal wie die Story davor war.


    @ Josh, ich habe mir deine Geschichte durchgelesen, ja genau wie bei uns, diese naive, kindliche Verhalten war am Anfang schrecklich, dann hab ich mich daran gewöhnt, aber jetzt im Nachhinein schmerzt es, was aus diesen stolzen Mann geworden ist.


    @ Stille Perle ihr habt 1,5 Jahre gekämpft um wieder dahin zu kommen, wo ihr jetzt steht. Bei mir sind es 3 Wochen und ich kann den Gedanken nicht ertragen, dass es so lange schmerzt... wie hält man Sehnsucht und Wut durch?


    @ Nelson Deine Frau hat genau das getan, was ich so gerne von Andi gehört hätte, dich gebeten weiter zu machen. Mit diesem "Auftrag" könnte ich besser leben, als diese 1000 unausgesprochenen Worte, die mit einem Glioblastom scheinbar nicht gehen! Deine Frau hat dich eindeutig gebeten, am Leben weiter teilzunehmen - bitte tu es!


    @ Adi - das mag ich mir alles nicht vorstellen, das muss ganz furchtbar gewesen sein, keine Möglichkeit des Abschieds - ich drücke dich ganz fest und schäme mich fast wegen meiner "Weinerlichkeit", was must Du alles durchgemacht haben....

  • @ wagi ich bin bestürzt, wie du dein jetziges Leben beschreibst, du "schleppst" Dich durchs Leben, das klingt sehr traurig und ich möchte Dich gerne trösten, bin aber noch selbst in meinem Leid verstrickt.


    @ schatzi diese kleinen "normalen Momente" kenne ich. Das passiert mir sogar mit meinen 3 Wochen hie und da mal und ich hoffe, dass ich nach 5-6 Monaten auch so weit wie du bin. Da du auch neu im Forum bist, lass uns halt nicht aus den Augen verlieren.


    @ tereschkowa danke für deine lieben Willkommensworte, Beileid wollte ich wirklich nicht, aber drücken lass ich mich gerne und freue mich sehr über deine Antwort.

  • Liebe Petra,


    bei deiner Überschrift habe ich mich direkt angesprochen gefühlt, denn bei mir ist ein ähnlich kurzer Zeitraum seit dem Schicksalsschlag vergangen.. Die Wunde ist noch frisch...

    Ich weiß, dass unsere beiden Trauerfälle relativ unterschiedlich sind, aber ich habe das Gefühl, dass wir vielleicht gemeinsam haben, dass wir uns nicht so von unserem Partner verabschieden konnten, wie wir es vielleicht gern getan hätten.

    Bei mir hat ein Unfall zu einem abrupten Abreißen der Beziehung zwischen meinem Schatz und mir geführt. Ich konnte ihm morgens nur noch schnell "Mach's gut" sagen, weil wir beide in Eile waren.. dann kam er nicht mehr wieder.

    Bei deinem Andi hat es sich abgezeichnet, dass die Krankheit sein Leben beenden wird, aber mir scheint, dass er darüber fassungs- und sprachlos war.. und du ihn ja auch nicht mit deinem Schmerz belasten wolltest (er hätte ja auch kaum eine Möglichkeit gehabt, sich diesem Schmerz zu entziehen) und dass dann so eine Sprachlosigkeit zwischen euch geherrscht hat, was die Themen "Abschied, Tod und Trauer" betrifft. Und ja..dann bleibt vieles unausgesprochen, was es im Nachhinein nicht leichter macht.

    Aber ich denke, auch die Sprachlosigkeit von Andi war ein Ausdruck seiner Liebe zu dir. Weil er dich ein Stück weit schützen wollte und seine eigene Hilflosigkeit gespürt hat. Es war leider eine durch und durch traurige Situation für euch beide.

    Wie er schon zu seinem Freund meinte: er hat sich Sorgen um dich gemacht. Ich bin mir sicher, das wäre jetzt immer noch so.

    Vielleicht kannst du damit etwas anfangen.

  • Liebe Petra,


    Es täuscht , ich bin noch lange nicht soweit um wirklich nach vorn zu gucken, sonst hätte ich mich hier im Forum auch nicht angemeldet. Mein Mann war in schwierigen Zeiten immer mein Seelentröster .Er hat mir immer Mut zugesprochen und mit Gesprächen und viel Verständnis geholfen.

    Ein Beispiel, Mein Vater ist 1998 , mit 68 Jahren an der Sch... Krankheit ALS gestorben. Unsere Kinder waren damals 8 und 3 Jahre alt . Am Tag musste ich mich zusammen reißen und machen aber abends bei ihm , durfte ich mich fallen lassen und meine Trauer ausleben. Es hat 1 1/2 Jahre gedauert bis ich wieder richtig glücklich war und mit dem Verlust umgehen konnte.


    Jetzt ist aber genau dieser Mensch, mein Seelenverwandter, mein Halt , meine Stütze die Liebe meines Lebens nicht mehr da und ich weiß nicht wann und ob es mal besser wird.

    Meinen Vater vermisse ich auch heute noch aber es tut nicht mehr weh und die Erinnerungen sind nicht mehr schmerzhaft. Darauf hoffe ich bei Thomas auch , das vermissen wird immer bleiben aber die Erinnerungen sollen sich bitte irgendwann in ein Lächeln verwandeln und nicht immer mit Tränen verbunden sein.


    Das wünsche ich hier uns allen , damit das Leben wieder lebenswert wird und nicht wie im Moment jeder Tag eine Qual und Herausforderung ist.


    Ganz liebe Grüße

    Birgit und Fine

  • Liebe Sora, ich habe Deine Geschichte gelesen und bin tief bestürzt. Dein Freund war noch so jung und hätte das Leben noch vor sich gehabt. Ich kann verstehen, dass du auf das Schicksal wütend bist. Andi durfte 52 Jahre alt werden und er hat sich, speziell in den letzten Jahren, alles gegönnt wonach ihm war. Er war der Typ der nie gesagt hat: das machen wir dann mal später oder das kaufe ich mir später, er hats einfach getan und dadurch ein intensives Leben leben dürfen.

    Bei Euch ist das anders und das tut mir von Herzen leid. Ich weiß, dass es immer Geschichten geben wird, die weitaus "schlimme" sind als die eigene, aber wie du selbst weißt, Schmerz ist Schmerz, ob es junge Menschen oder ältere trifft.


    Danke auch für deine verständnisvollen Worte über unsere Sprachlosigkeit, da hast Du vollkommen recht - er wollte mich so sehr beschützen und vom Leid ablenken.


    Liebe Grüße

    Petra

  • Liebe Birgit und natürlich auch Fine - soviel Zeit muss sein,


    das kann ich gut verstehen, dass er für Dich alles war, Seelentröster, bester Freund, Kamerad, Seelenverwandter, Lebensmensch und das macht es so unerträglich. Die Frage nach dem "wie soll es nur weitergehen ohne ihn" füllt den ganzen Tag. Vielleicht finden wir beide wieder das kleine Lächeln, dass du Dir so wünscht und der Schmerz verändert sich.

  • Wisst Ihr, was ich gestern getan habe? Ich habe Andi angerufen und ihm aufs Handy gesprochen wie sehr ich ihn liebe und vermisse! Doof nicht? Als könne er im Jenseits sein Handy abhören! Aber es hat gutgetan. Ok ich habe nicht gesprochen sondern hineingeheult!


    Verwirrte Grüße

    Petra

  • Liebe Petra,


    vielen Dank für deine Anteilnahme.

    ja, das Leben sollte für meinen Schatz und mich nach einer Phase des Aufbaus so richtig losgehen und bis dahin haben wir uns viel angestrengt, sind auch mal kürzer getreten... Trotzdem waren wir selbst in dieser Phase glücklich miteinander, denn wir waren so hoffnungsvoll. Wir haben es ja alles füreinander getan und auch gern getan.

    In unseren gemeinsamen 5 Jahren haben wir allgemein auch viele Momente genossen und ich war, aufgrund meiner Lebensgeschichte, auch so geprägt, dass ich auch mal mit Nachdruck zu ihm meinte: Lass mal die Arbeit Arbeit sein und lass uns was unternehmen. Ich hatte das Glück (und er auch), dass mir schon vor seinem Tod klar war, dass das Leben zerbrechlich ist und dass man nicht alles ewig aufschieben sollte, was man gern tun würde. Dass es eigentlich auch jeden Tag vorbei sein kann...

    Natürlich, wenn viel los ist, dann bleibt einem manchmal nichts anderes übrig als Dinge aufzuschieben oder sich auszupowern. Das war in unserer Lebensphase eben manchmal der Fall.

    Aber an sich sind/waren wir schon Zwei, die das Leben auch genießen wollten. :) Dazu gehörte das ausgiebige Frühstücken (daheim oder auswärts) an Wochenenden, viele gemeinsame Ausflüge und auch das gelegentliche "keine Lust heute was Großes zu starten, lass uns drinnen faulenzen". :) Auch haben wir jeden Abend gemeinsam gekocht uns dabei schon auf die Mahlzeit gefreut und anschließend noch lange gesessen und geredet. Das war unser Leben zu dem Zeitpunkt und ich bereue es nicht.

    Hätte mein Schatz mehr Zeit gehabt und hätte er noch seine vor ihm liegenden Arbeitsziele in den kommenden 3 Jahren erreicht, dann wäre es ihm natürlich noch leichter gefallen "ein Lebemann" zu sein. Dann hätte er noch ein Stück weit "lockerer" lassen können. Aber zum einen hat er seine Arbeit geliebt, sie hat ihn angetrieben... und zum anderen habe ich immer ein Auge auf ihn gehabt und ihn zu mir geholt, wenn er zu lange über etwas gebrütet hat.


    Trotzdem hätte ich natürlich meinem Schatz ein längeres Leben gegönnt. Aber ich weiß, dass er bis zum Ende mit mir glücklich war und so intensiv gelebt hat, wie es ihm zu dem Zeitpunkt eben möglich war...

  • Liebe Petra,


    Dankeschön, ich hoffe wir alle hier finden unser Lächeln wieder und können dann auch halbwegs normal am Leben wieder teilnehmen .


    Du hast deinen Mann auf dem Handy angerufen, meine Tochter schreibt ihrem Papa immer noch Whatsapp Nachrichten. Ich rieche an der Kleidung meines Mannes, einge Stücke waren noch nicht gewaschen und ich hebe sie so belassen, für mich. Ich denke alles ist normal in unserer Trauer und man soll das tun was einem gut tut, auch wenn es nur kurze Momente hilft.


    Liebe Grüße

    Birgit und Fine

  • liebe Petra. Entschuldigung für die schlechte Deutsch.Ich habe auch ganz bitterer Geschichte. Mein Mann ist verstorben. Krebs. Ganz schnell das passiert 47 Tagen und ich bin alleine gebliebenen. Er war 65....Ich weiß nicht wie ich muss weiter leben.Bin ich auch fast immer unruhig. Ich sage nicht dass du muss stark sein...Ich versuche mich helfen'aber klappt das nicht. Viele Kraft dir.Marina

  • Liebe Petra


    Ich danke dir für deine an mich gerichteten analytisch präzisen, treffenden Ausführungen von heute Vormittag. Sie haben mich angespornt, meinen Weg nach besten Kräften weiter zu gehen. Ich bin bestrebt, Daliahs "Auftrag" zu erfüllen, nur bereitet mir das "Wie" öfter Kopfzerbrechen.


    Seit dem 28.06.2019 führe ich zwei Tagebücher mit Eintragungen positiver (Lichtblicke, gute Erfahrungen und Erlebnisse, über die ich mich freue) und negativer Begebenheiten. In Anlehnung an Astrids Beitrag vom 28.06.2019 in meinem Thread


    Zitat:


    "Lieber Nelson,

    da würde ich dich fragen, ob wir als Etappenziele am Erkennen und Konservieren einzelner Momente mit Lebensfreude arbeiten sollen.

    Wir würden ein bisschen darüber sprechen, was das für dich bedeuten würde.

    Und dann würde ich dir vielleicht die Geschichte von der weisen Frau mit den Bohnen erzählen:


    Die Weise Frau und die Bohnen

    Es war einmal eine sehr alte, weise Frau. Sie hatte ein recht

    beschwerliches Leben.

    Jeden Morgen, bevor sie ihr Tagwerk begann, legte sie sich eine

    Kittelschürze um. Dann ging sie in ihre Speisekammer und nahm

    eine Handvoll Bohnen aus einem Sack. Diese steckte sie sich in die

    rechte Tasche ihrer Schürze.

    Wann immer ihr im Laufe des Tages etwas Schönes begegnete – das

    Lächeln eines Kindes, der Gesang eines Vogels, der Klang einer

    Klangschale, ein Mitmensch, der ihr eine Freundlichkeit erwies, der

    Duft einer schönen Tasse Kaffee, ein Sonnenstrahl, der ihr Gesicht

    traf oder ein schattiger Platz in der Mittagshitze – kurz gesagt, für

    alles, was ihr Herz und ihre Sinne erfreute, ließ sie eine Bohne von

    der rechten in die linke Schürzentasche wandern.

    Am Abend, bevor sie sich schlafen legte, nahm sie die Bohnen aus der

    linken Tasche ihrer Kittelschürze. So betrachtete sie, was ihr an

    diesem Tage Schönes widerfahren war. Bei jeder einzelnen Bohne

    wusste sie noch ganz genau, was ihre Freude ausgelöst hatte.

    Und wenn sich auch nur ein einziges Böhnchen in ihrer linken

    Schürzentasche fand, dann war es für sie ein Tag, an dem es sich

    gelohnt hatte, zu leben. (Verfasser unbekannt)


    Und dann würde ich dir ein Säckchen mit Bohnen geben und dich fragen:

    gab es heute schon einen Moment, in dem du eine Bohne von der linken in

    die rechte Tasche hättest legen können.

    Dann würden wir darüber sprechen, was solche Momente für dich sind.

    Und als HÜ würdest du die Aufgabe bekommen, diese Übung jeden Tag zu

    versuchen und am Abend die Momente, die eine Bohne wert waren für dich

    in ein Tagebuch zu schreiben.

    In ein anderes Tagebuch würdest du schreiben, was die schweren Momente sind,

    denn auch die gehören dazu und sollen gesehen werden.

    Und dann würden wir uns in 7-14 Tagen wieder treffen."

    ...


    führe ich seit dem 28.06.2019 zwei von mir "Bohnentagebücher" + und - benannte kleine Hefte. Deine oben genannte Antwort an mich bzw. was sie in mir auslöste, habe ich heute im +-Bohnentagebuch eingetragen.


    Die Tagebücher vermögen keine Wunder zu bewirken. Ich fand, es sei den Versuch wert, mir damit vorhandener Mosaiksteinchen von Lebensfreude besser bewusst zu werden, ohne die Kehrseite der Medaille zu unterdrücken.


    Liebe Grüsse

    Nelson_180916