Meine liebe Mama
am 10.12.2022 sind es nun tatsächlich schon ganze 11 Monate, seitdem Du gehen musstest. Ich verstehe es immer noch nicht und werde es auch nie verstehen. Dieses Jahr war so turbulent, so grausam, so unendlich traurig. Ich möchte Dir so gerne von Millionen Dingen erzählen. Ich habe Dich bei jeder Kleinigkeit angerufen und Du mich. Wir haben uns immer ausgetauscht. Wenn mir irgendetwas besonders gefallen hat hab ich Dir ein Foto geschickt. Mama ich vermisse Deine Stimme, Deinen Humor, Deine Umarmungen....ich vermisse DICH so sehr. Es zerreißt mir immer noch mein Herz. Wie konnte das passieren? Wie konnte das alles so verdammt schief laufen? Wieso haben wir das nicht vorher bemerkt? Wieso? Diese Fragen habe ich mir gleich am Anfang immer wieder gestellt. Aber ich weiß dass ich darauf keine Antwort bekomme. Jetzt vor Weihnachten kocht alles wieder langsam hoch. Nicht dass ich Dich nicht jeden Tag in diesem Jahr vermisst hätte, aber mir kommt es so vor, als wäre es nun vor Weihnachten besonders hart.
Wir beide haben Weihnachten immer zelebriert. Wir haben unsere Wohnungen geschmückt. Wenn Du was schönes beim Einkaufen entdeckt hast, hast Du es mir mitgenommen. Ich kann es einfach nicht verstehen, dass Du tatsächlich nicht mehr hier bei mir bist. Nie mehr wieder. Zumindest nicht so wie ich es kenne und haben möchte. Mama in diesem Jahr ist soooo viel passiert. So viel trauriges, aber auch einiges schönes. Ich musste mich vor so vielen Herausforderungen stellen. Und ich habe sie tatsächlich geschafft. Auch wenn ich das nie gedacht habe. Ich bin es nicht gewöhnt, da alleine durch zu müssen, da Du mich immer unterstützt hast. Mit meinen mittlerweile 31 Jahren bin ich zwar kein kleines Kind, aber ich fühle mich trotzdem hilflos seitdem Du nicht mehr da bist. Ich fühle mich unsicher bei jedem Schritt und bei jeder Entscheidung. Und doch musste ich mich immer wieder für einen Weg entscheiden. Ich hab es irgendwie geschafft. Und darauf bin ich ein wenig stolz. Ich weiß dass Du trotzdem immer bei mir bist. Aber es ist hart in dieser Zeit. Es fühlt sich manchmal immer noch so an, als wärst Du im Urlaub oder auf Kur. Du kommst schon irgendwann wieder. Aber Du kommst einfach nicht mehr heim....Du rufst mich nicht mehr an. Ich sehe Deinen Namen "Mama" nie mehr auf meinem Handybildschirm. Ich weine in der letzten Zeit wieder mehr, vor allem abends wenn es dunkel ist. Aber das ist ok.
Ich habe mittlerweile gelernt, mit meiner Trauer umzugehen. Am Anfang im Januar war ich verstört und verschreckt wenn sie kam. Doch mittlerweile begrüße ich sie fast wie einen alten Bekannten. Ich lasse sie zu, ich weiß dass wegschieben nichts bringt. So blöd es klingt, es hilft mir auch, um Dich zu trauern. Dieser Verlust ist so groß für mich. Nicht nur für mich, auch für unsere Familie. Ich kenne es jedem einzelnen an, sie kämpfen auch in dieser Zeit. Mama warum musstest Du so schlimm krank werden? Du hast immer auf Dich geachtet, hast nicht geraucht, nicht übermäßig viel Alkohol getrunken, kein Junk gegessen....und trotzdem musstest Du an Krebs erkranken? Warum? Ich hatte seit meiner Teenie Zeit diese unbegründete Angst vor dieser Krankheit. Ich weiß nicht warum, ob es vielleicht eine Vorahnung war? Ich konnte den Namen dieser Krankheit nicht mal laut aussprechen da ich Angst hatte dieses Unheil über meine Familie oder mich zu bringen. Falls ich mal zu Gott oder zu sonst jemanden gebetet habe, habe ich immer darum gebeten dass niemand von uns krank wird. Ich hatte immer Angst dass sowas passiert. Und dann ist es tatsächlich passiert....kann man soetwas heraufbeschwören? Ich hoffe inständig nicht. Ich glaube man hat einfach eine Vorahnung? Ich weiß es nicht. Als Papa kurz nach Weihnachten 2020 mir die Nachricht gebracht hat dass Du krank bist fiel ich in ein tiefes Loch. Das konnte nicht sein. Ich war so verloren....
Das ganze Jahr 2021 konnten wir noch zusammen verbringen. Es gab viele Schöne Momente und doch so unendlich viele traurige. Du warst mit Deinen 54 Jahren einfach zu jung. Wenn mir Deine Freundinnen sagen, dass das immer schlimm ist wenn die Mama stirbt kann ich Ihnen nur teilweise zustimmen. Wenn Du 80 hättest werden dürfen oder sogar 90 wäre das natürlich auch traurig gewesen, aber wir hätten unsere Zeit noch mehr ausleben können. Du hättest Dein Leben länger ausleben dürfen. Du wärst einfach länger bei uns gewesen. Und jetzt? Ich musste Dich gehen lassen. Ich musste einfach nur daneben sitzen und konnte nichts tun als Du schwächer geworden bist. Ich wollte jemanden anschreien, wollte die Zeit aufhalten, ich wollte irgendwas tun. Ich war dann einfach nur nah bei Dir. Es war zwar in diesem Moment das schlimmste was ich je erfahren musste, aber 11 Monate später bin ich dankbar Dich begleitet zu haben. Ach Mama...wo bist Du nur hin? In diesem Jahr sind auch noch ein Arbeitskollege von mir und unser Hund gegangen....alles in einem Jahr. Ich blieb mit soetwas immer verschont worüber ich sehr dankbar war. Und jetzt musste ich da ohne Dich durch. Ich wollte Dir davon erzählen. Von so viel!
Ach Mama...ich hoffe so sehr es geht Dir gut da wo Du bist. Dass Du keine Angst haben musst und keine Schmerzen hast. Ich hoffe es so! In letzter Zeit schaue ich mir wieder viele Bilder von uns an. Ich habe manchmal Angst Dich zu vergessen, so wie Du warst. Da helfen mir die Bilder immer ganz gut. Leider habe ich fast keine Videos von uns, da hätte ich wenigstens Deine Stimmt gehört. Ich trage mittlerweile Deine Pullis. Ich konnte das anfangs nicht ertragen. aber jetzt schon. Deine Pullis sind wie Umarmungen. Manche riechen noch nach Dir. Die will ich dann gar nicht waschen und anziehen damit ich den Geruch noch lange habe. Kann man Gerüche einsperren und in ein Glas packen? Das wäre schön. Mama ich würde so vieles mit Dir besprechen wollen. Es steht noch ein großes familiäres Gespräch an. Früher hätte ich Dir als erstes davon erzählt. Du hast immer vermittelt bzw geholfen. Jetzt mach ich das alleine. Es liegt mir aber am Herzen das Gespräch zu führen von daher muss ich das durchziehen. Ich hoffe Du begleitest mich dabei.
Mama ich kann nicht in Worte fassen wie sehr Du mir fehlst. Es ist so komisch, nicht mit Dir reden zu können. Ich bin immer noch traumatisiert. Aber es geht mir doch im Großen und Ganzen gut. Ich will stark sein für Dich. Weil ich weiß, dass Du mit jedem Schritt mit mir gehst. Ich will für Dich weiterleben. Es muss irgendwie weitergehen, auch wenn es schwer fällt. Bald ist das 1. Trauerjahr vorbei. Ich bin gespannt ob es sich ändern wird. Aber der Tod von Dir bleibt immer ein Teil von mir. Und DU ich werde Dich nie vergessen. Ich hab Dich einfach so lieb.