Ihr Lieben da draußen,
Heute tobt wieder in meinem Innern ein Wirbelsturm. Die unterschiedlichsten Gefühle werden aufgewirbelt.
Klaus fehlt mir. Er war mein Fels in der Brandung. Hat zwar nicht viel gesagt - war aber für mich da. Sicher wäre er zur Zeit für mich eine große Stütze. Wie schon erzählt, waren wir nach der Trennngsphase die besten Freunde.
Ich vermisse ihn schmerzlich.....
Gerade in der Phase in der ich jetzt stecke. Ich glaube, er würde mich verstehen und mich mit all meinen widersprüchlichen Gefühlen annehmen.
Im Moment mache ich mir sehr viele Gedanken. Ich denke Gedanken, die ich mir so lange nicht erlaubt habe. Erlebe Gefühle, die ich nie fühlen wollte bzw fühlen konnte.
Derzeit bin ich gedanklich viel bei meiner Mutter und bei meinem Vater.
Es ist so viel liegen geblieben was die Trauerarbeit bzgl. meiner Eltern betrifft. . Seit Jahrzehnten schleppe ich viel Ballast mit mir herum. Immer habe ich mich davor gedrückt, genauer hinzuschauen. Doch das war falsch, denn je mehr Zeit vergeht, umso schwieriger wird alles. Aber vielleicht war ich früher noch nicht stark genug, mich mit dem Suizid meiner Mutter auseinander zu setzen.
Es gab ja sozusagen ein "Redeverbot". Es wurde alles tot-geschwiegen. Es wurde getan, als wäre nichts passiert.,als wäre es normal, dass von jetzt auf gleich, die Mutter weg ist. Spurlos verschwunden. Was solls.
Es gab kein gemeinsames Trauern, kein gemeinsames in den Arm nehmen, keine Friedhofsbesuche.
Weinen verboten!
Was für eine kaputte Familie!
Und was blieb mir als Kind anderes übrig, als mich zu fügen. Und so habe ich das Darüberreden "verlernt". Ich wurde sprach-los.
Was mich so fertig macht:
Meine Mutter hat mich einfach zurückgelassen - und zwar freiwillig . Sie hat mir dadurch das Gefühl gegeben, für sie völlig unwichtig zu sein. Jemand ohne Wert zu sein.
Sie ging, ohne eine einzige Zeile hinterlassen zu haben. Still und heimlich hat sie sich in der Nacht fortgeschlichen.
Sie hat sich radikal auslöschen wollen. Hat vorher alle Fotos, auf denen sie drauf war, zerstört. Es wurden im Wohnzimmer mehrere Fotoalben gefunden, daneben ganz viel Asche. Sie hat die Bilder verbrannt. Wie muss sie sich dabei gefühlt haben?!?
Auch andere Erinnerungsstücke (wie z. B. ihre Uhr, Schmuck, alte Briefe...) hat sie vernichtet, jedenfalls wurden sie nie wieder gefunden.
Nichts persönliches hat sie mir hinterlassen. Kein Andenken an sie. Das tut verdammt weh! War ich das nicht wert? Mir blieb nichts von ihr, jedenfalls nichts, was ich anschauen oder anfassen kann.
Das macht mich traurig.
Aber heute auch extrem wütend.
Doch noch größer ist die Wut auf meinen Vater. Er ging "fremd", brachte seine Geliebte zu Lebzeiten meiner Mutter schon ins Haus. Warum hat er nicht ehrlich gehandelt und sich von meiner Mutter getrennt? Es war ja eine ernste Sache mit dieser Frau. Er hat sie Wochen später in unser Haus geholt und nach Beendigung des "Trauerjahres" sofort geheiratet. Mich hat er dann in "gute Hände" weggegeben,(mit der "neuen" Mutter klappte es nicht so) hat mich quasi ent-sorgt (sorry, empfinde es so)
Sie hätten sich doch scheiden lassen können. Dann hätte ich zumindest noch beide Elternteile gehabt.
Mama wählte ihre Art der Scheidung.
Warum hat Mama mich nicht an die Hand genommen, ihren Mann verlassen und sich ein eigenes Leben aufgebaut? Das wäre zwar sehr schwer gewesen, aber sich selbst zu töten, ist ja auch nicht der allerleichteste Weg.
Ich bin im Augenblick so wütend!
Aber wütend mag ich mich nicht.Ich will mich so nicht sehen.
Ich verabscheue Ausbrüche.
Aber
ich bin dennoch so schrecklich wütend auf dich, Mama.
Ich bin wütend, weil du MIR das angetan hast.
Ich bin wütend, weil du mich oft als Seelentröster/Partnerersatz missbraucht hast, während ich deine Hand haltend am Bett saß.
Ich bin wütend, weil du mir oft Angst gemacht hast mit deinen Selbstmordandrohungen
Ich bin wütend, weil du deine Versprechen, es doch nicht zu tun, nicht gehalten hast
Ich bin wütend, weil du oft gesagt hast, ich sei der Nagel zu deinem Sarg, ich würde dich mal ins Grab bringen....( und das mit 11) und gleich darauf : du bist mein Ein und Alles.
Ich bin wütend, weil ich dir nicht wert war, zu kämpfen.
Ich bin wütend, weil du es DIR nicht wert warst, für Dich zu kämpfen.
Ich bin wütend, weil du Dich selbst als so gering geachtet hast.
Ich bin wütend, weil du dir nie Hilfe geholt hast
Mama, weißt du, wie weh du mir all dem getan hast?
Weißt du, welche Bürde du mir mit deinem "freiwilligen Gehen" aufgehalst hast?
Weißt du, dass du mir damit meine Lebendigkeit genommen hast?
meine Unschuld
mein Lachen
meine Unbeschwertheit
mein Vertrauen in Menschen?
Mein Vertrauen ins Leben
meine Kindheit
meine Sicherheit
Mama, weißt du, wie schwer Schuldgfühle wiegen, auch wenn sie in Wirklichkeit nicht angebracht sind.?
Mama, du bist gegangen. Freiwillig. Du hast eine Wahl getroffen. Wurdest frei!?!
Ich hatte keine Wahl.
Hast mir lebenslänglich aufgezwungen
Lebenslänglich mit deinem Suizid zu leben.
Mich lebenslänglich schuldig zu fühlen.
Lebenslänglich mich zu schämen
Als du die Eisenbahnschienen betreten hast, hast du mich mitgenommen, hast meine Seele mitgenommen.
Ich bin so sauer.
Und das ich jetzt wütend bin ist gut - glaube ich
Und weißt du auch warum?
Vorher war ich immer nur auf Mich wütend.
Jetzt bin ich auf DICH wütend!!
Mama, ich bin nicht schuld
Ich gebe die Schuld an dich zurück. Jetzt ist sie endlich an der richtigen Stelle.
Ob ich dir je verzeihen kann?
Ich weiß es nicht.
Ich möchte es können, aber ich weiß es nicht.
Liebe Leser,
sorry für diesen Ausbruch.
Ich hoffe, einige hier verstehen mich.
Es kann aber auch sein, dass ich Kritik für diesen Beitrag ernte und ich höre einige aufschreien: "wie kann sie nur so was schreiben"... Über Tote spricht man nur Gutes"... "Es geht doch um die Mutter, die so viel durchlitten hat"..."Jeder hat die Freiheit sein Leben zu beenden",... Die muss verzeihen können"..."nach so langer Zeit" u.s.w.
Und ihr habt teilweise Recht.
Ja, Mama konnte ihr schweres Leben nicht mehr ertragen, sah keinen Sinn mehr im Weiterleben. Ich denke, der Tod war eine Erlösung für sie. Das Leben war für sie eine Qual.
Vom Kopf her kann ich das nachvollziehen, aber vom Herzen her nicht. Da fühle ich mich als Opfer. Könnt ihr das verstehen?
Ja, Mama litt
aber
ich auch -
ich litt damals auch durch den Suizid und leide heute noch daran.
Mama hatte die Chance etwas zu ändern (zumindest bis zu einem Punkt, bevor sich alles verselbstständigte) -
aber ich,
das kleine 11jährige Mädchen
hatte diese Chance nicht!
Ich glaube, es macht für Hinterbliebene einen Unterschied, ob jemand sterben muss (unfall - oder krankheitsbedingt) oder ob er sich selbst tötet .
Ach Mama, ich vermiss dich so sehr. Ich hätte dich so oft gebraucht.
Ich bin wütend
und doch
liebe ich dich,
bis zum Ende meiner Tage.
Meine Liebe hört nie auf.
Passt das zusammen?
blaumeise
Ich weiß jetzt nicht, ob ich auf Absenden drücken soll/darf
Hol tief Luft und entscheide jetzt spontan