Mein anderes Ich ist nicht mehr da

  • Liebe Alle,


    es hat lange gedauert, bis auch ich meinen Weg als registriertes "Mitglied" hierher gefunden habe. Aber ich komme einfach nicht mehr zurecht und hier gibt es offensichtlich viele, denen es genauso geht wie mir (leider...)


    Meine Mama wurde am 23.01.2020 in Krankenhaus eingeliefert. Sie hatte seit dem Sonntag zuvor diffuse Schmerzen gehabt, vor allem im linken Arm und im Oberbauch, hatte Übelkeit, war schwach und müde. Sie war Rheumatikerin und schon seit 2010 überwiegend bettlägerig, also riet man (Doc) ihr, es mit Cortison oder Novalgin zu versuchen. Am besagten 23.01. hatte ich eigentlich den Eindruck, es ginge endlich wieder bergauf. Doch der Hausarzt ließ sie sofort ins Krankenhaus einweisen. Sie war völlig irritiert und verzweifelt (da ich selbst eine Muskelerkrankung habe und wir zwei 18 Monate einer unfassbaren Odyssee mit entsprechenden Erfahrungen der Mediziner-Welt) und fragte, ob man diese Lungenentzündung, die der Arzt vermutete, nicht mit Antibiotika zuhause kurieren könne. Könnte man, aber das sei der letzte Versuch, den sie machen würde, war seine Antwort.

    Ich war wie vorm Kopf gestoßen. Meine Mama, auf die ich so aufpasste, bei der ich jedes noch so kleine "Wehwehchen" sofort merkte, in tödlicher Gefahr? Es kamen kurz darauf mehrere Rettungssanitäter, die sie sofort verkabelten. Ich wurde aus dem Zimmer geschickt. Ich war nur am Heulen. Als sie meine Mama wegbrachten, brachte ich gerade mal ein "Ich komm sofort nach, ich liebe dich, alles wird gut" heraus, sah ihr nach und brach dann zusammen. Ich packte ein paar Sachen, sah nach unseren Katzen und gemeinsam mit einer Freundin, die ich angerufen hatte, fuhr ich dann in die Uniklinik.

    Dort saßen wir etwa 4 Stunden, bis ich auf die ITS kam. Ich durfte sie nicht sehen. Kardiogener Schock, zweimal Katheter erfolglos, künstliches Koma. Ich solle mit dem schlimmsten rechnen.

    Nach einer Woche schien sie auf dem Weg der Besserung. Sie war eine Kämpferin, das sagten sogar die Ärzte, die trotzdem bemüht waren, mich täglich auf den Ernst der Lage hinzuweisen (als ob ich das nicht mitbekommen hätte). Ich war optimistisch. Ich wusste, sie kämpfte, schon meinetwegen.

    Dann näherte sich der 13.02. Sie bekam eine Lungenentzündung. Und ich wusste: sie schafft es nicht. Der 13.02., das ist auch der Todestag meiner Großmutter, die ebenfalls an einer Herzerkrankung starb. Und so wurde auch ich am 13.02. morgens angerufen, ich solle bitte in die Klinik kommen. Man hätte "kein Ziel mehr, auf das wir hinarbeiten können", durch die Medikamente seien nur noch "die Randgebiete" versorgt. Ich sollte entscheiden, ob die Maschinen abgeschaltet werden sollen.

    Ihr Körper war so am Ende, dass sie schon eine halbe Stunde nach dem Abschalten verstarb. Die Ärzte versicherten mir, sie hätte keine Schmerzen gehabt und nichts gemerkt. Ich hoffe es inständig.

    Und auch wie meine Großmutter 30 Jahre zuvor, wurde meine Mama am 20.02. beerdigt.


    Ich verstehe nicht, was passiert ist. Warum das plötzlich so kam, warum niemand eher gemerkt hat, dass ihr Herz so krank war. "Weil sie eine chronisch kranke Frau war", antwortete unser Hausarzt.

    Ich plage mich mit Vorwürfen. Sie hatte im Herbst 2019 in eine Klinik gewollt, verschob es aber, weil ich zu dem Zeitpunkt ins Krankenhaus musste - und ich kam bei ihr immer zuerst. Ich mache mir Vorwürfe, dass ich es nicht rechtzeitig bemerkt habe. Ich mache mir Vorwürfe, dass ich in den letzten Minuten, wo sie wach war, nicht bei ihr war.


    Immer wieder tauchen die Bilder vor meinen Augen auf. Wie sie im Krankenhaus liegt. Lebend. Tot. Habe ich den falschen Ärzten vertraut? Hätte ich irgendetwas machen können, was sie gerettet hätte? Täglich war ich dort, in dieser Klinik, in der ich selbst schlechte Erfahrungen gemacht hatte, und sprach mit meiner Mama. Meine Mama, die mir mehr bedeutete als mein Leben, die mehr war, als "nur" meine Mama. Die meine beste Freundin war, mein anderes Ich, meine Lebensgefährtin. Wir zwei getrennt, das gab es nicht. Wir wohnten bis zum Schluss zusammen. Ich bin 28 Jahre alt, wir waren nie getrennt bis auf 2 Klassenfahrten und 2 Urlaube. Oft hatte ich sie angerufen, als sie gerade den Hörer in die Hand nahm, um mich anzurufen. Sätze mussten wir oft nicht zum Ende sprechen, wir wussten sowieso, was die andere sagen wollte. Nichts konnte die andere der anderen vormachen. Ging es der einen schlecht, merkte das die andere. So einfach war das.


    Am 13.02. ist auch ein Teil von mir gestorben. Und so dachte ich: warum der andere Teil nicht auch noch? Ich weiß, dass meine Mama das nicht wollen würde. Ausschlaggebend dafür, dass ich noch lebe, sind unsere beiden Katzen, die unser Leben seit 17 Jahren treu begleiteten, auch jetzt mir immer beistehen und um die Wette schnurren, wenn ich mal wieder weine. Nein, die beiden darf ich nicht im Stich lassen.

    Und doch: es ist so unsagbar schwer. Ich meine, ersticken zu müssen, so schmerzt der Verlust dieses wundervollen Menschens, der viel zu früh, mit gerade mal 66 Jahren, gehen musste. Wenn ich daran denke, dass ich im schlimmsten Fall noch mindestens 40 Jahre ohne sie leben muss, könnte ich laut schreien. Der Gedanke ist nicht auszuhalten. Es gibt Tage, da will ich unbedingt aus unserer Wohnung ausziehen, weg von den Erinnerungen, die mich schier umbringen. Dann, und das ist meistens, möchte ich niemals weg von genau diesen Erinnerungen.


    Ich möchte gerne daran glauben, dass sie noch bei mir ist, und manchmal tue ich das auch. Doch dann werde ich traurig und wütend, weil es nicht mehr das gleiche ist. Weil ich ihr Lachen nicht höre, ihre schönen liebevollen Augen nicht mehr sehe, ihre weichen Hände nicht mehr berühren kann. Selbst jetzt beimTippen laufen mir unentwegt Tränen über's Gesicht und ich frage mich, wie lange ein Mensch das aushalten kann. Die Frage nach dem "Warum" geht mir nicht aus dem Kopf, auch wenn mir darauf natürlich niemand Antwort geben kann. Und dann dieses schreckliche Gefühl, dass sowieso niemand versteht, was ich durchmache. Dass niemand versteht, dass ich keinen Tag aufstehen möchte, dass ich die Sonne verfluche, dass sie scheint und dass ich nicht fassen kann, dass sich die Welt weiterdreht, obwohl sie für mich am 13.02. stehen geblieben ist.

    An diesem unheilvollen Tag, dem 30. Todestag meiner Großmutter. Aus dem Nichts, einfach so, urplötzlich. Wir hatten so viel vor. Wir wollten zusammen nach Italien auswandern. Sie hatte so viel Lebensmut und Kraft, es war unvorstellbar. Trotz ihrer chronischen Schmerzen, sie hatte leben wollen. Warum durfte sie das nicht?


    Ich kann nicht genau sagen, ob es mir hilft, das alles niederzuschreiben. Aber es tut doch irgendwie "gut", weil ich weiß, dass viele von euch das gleiche durchmachen mussten.


    Ich grüße euch,


    Alika

  • Liebe Alika,

    die Welt ist so Grausam, dass wir unsere Liebsten Menschen verlieren. Ich habe meinen Sohn am 12.10.2019 durch einen Verkehrsunfall verloren und mache mir auch Vorwürfe, was wäre wenn... Ich wurde nicht zu ihn gelassen, er wurde für zwei Tage beschlagnahmt. Mein Kind ist ohne mich gestorben und auch das ist für mich unerträglich. Du hättest das nicht ändern können und vielleicht wurde deine Mama von den leiden befreit. Meine Oma hatte vor 58 Jahren Ihre Tochter verloren und ich sagte Ihr, du hast so ein Glück das du bald deine Tochter und mein Max in den Arm nehmen kannst. Sie sagte; das weiß man nicht vielleicht wirst du sie zuerst in den Arm nehmen und sie hat so Recht, keiner weiß wann man stirbt. Es ist sehr gut das du durch die Katzen halt hast und dich um sie kümmern musst. Ich wünsche dir sehr viel Kraft

  • liebe Alika,


    deinen Schmerz und all deine Gedanken kann ich sehr gut nachvollziehen. Dir sind die Tränen beim Schreiben geflossen, mir beim Lesen.


    Meine Mama ist im September letzten Jahres verstorben...zwei Monate nach Feststellung einer sehr seltenen Krankheit. Es ging alles sehr schnell...deswegen habe ich noch nicht so viel Vorsprung zu deiner Trauer. Auch für mich ist eine Welt zusammengebrochen...und ich bin so wütend auf so vieles und zugleich so traurig. Anfangs wollte auch ich nicht mehr leben. Ich wollte zu ihr. Ich habe mir gewünscht, einfach tot umzufallen. Mein Herz hat unglaublich geschmerzt...ich habe jede Woche 2kg verloren vor Trauer. Und auch heute, 6 Monate später, denke ich immer noch kurz, wenn ich streben sollte, ist es mir egal. Aber ich habe zwei Kinder...deswegen versuche ich diesen egoistischen Gedanken zu vertreiben und denke, jeder Mensch auf der Welt muss solche schmerzhaften Erfahrungen machen...wenn jeder danach tot umfällt, gibt es ja keine Menschen mehr. Du hast eure Katzen, um die du dich kümmern musst. Sie werden dir helfen.


    Aber ja, es ist so unfair. Warum so früh seine Mama verlieren? Was soll das?! Man wollte doch noch so 20 Jahre mit der geliebten Mama verbringen, so wie beinahe alle anderen um einen herum. Sie wird niemals ihre Enkelkinder aufwachsen sehen, ihre Enkel werden ihre Oma nie kennenlernen...es ist grausam! Das Leben wird nie so sein, wie es mal war. Es ist alles ein schlechter Scherz...


    Ich wünsche dir ganz viel Kraft in dieser schweren Zeit. Ich hoffe, du hast um dich herum liebe Freunde oder Familie, die dir etwas Halt geben. Fühl dich gedrückt, ich leide mit dir <3


    Alles Liebe

    Linda

  • Liebe Alika,

    auch ich kann Dich mit Deinem großen Schmerz sehr gut verstehn. Leider gibt es dafür keine Worte,

    die Dich trösten können. Meine Mutti und ich waren auch beste Freundinnen und ganz eng, da wir die

    letzten 10 Jahre wieder zusammen gelebt haben. Du wirst noch viel Kraft brauchen.

    Alles Liebe

    Kornblume

  • Liebe Alika

    Beim Lesen deiner Worte musste ich weinen - ich konnte jedes Wort nachfühlen...

    Mein herzlichstes Mitgefühl - du hast deine Mama verloren...das Schlimmste was einem "Kind" passieren kann...

    Meine Mama starb am 25. September 2019 - es war der allerschlimmste Tag in meinem Leben. Meine Mama war auch alles für mich - Freundin, Beraterin, Stütze... sie war die mit der ich über alles lachen und weinen konnte... ja, sie war ein Mittelpunkt in unserem Leben.

    So viel wollten wir noch zusammen "erleben" auch wenn sie sehr krank war so hatte sie doch auch immer Mut und Zuversicht! Sie war auch eine Kämpferin...

    Jeder Tag, den eine Mama geht ist ein Tag zu früh... Egal wie alt sie ist, egal wie alt wir sind... Es ist IMMER zu früh.

    Auch ich habe mir - und mache ich mir immer wieder, es kommt einfach... - Vorwürfe gemacht und diese "Warum" Fragen gestellt: Habe ich was übersehen, haben die Ärzte wirklich alles getan, wer oder was war schuld daran dass sie gehen musste... warum musste sie JETZT gehen... Fragen die keiner beantworten kann und Fragen die uns nicht weiter helfen, im Gegenteil.

    Das Gefühl des Vermissens schnürt dir das Herz ab und die Kehle zu... du denkst du kannst nie wieder atmen... du denkst, diese scheiß Welt muss doch stehen beleiben - aber sie dreht sich weiter...gnadenlos... die Sonne geht auf und unter - so als ob nichts wäre... und für dich ist alles anders...

    Und dann dieses schreckliche Gefühl, dass sowieso niemand versteht, was ich durchmache.

    DOCH! Ich und viele andere hier verstehen dich nur zu gut...

    Es kann nur verstehen, der es erlebt und durchlebt hat.


    Du bist hier richtig liebe Alika... schreib wann immer dir danach ist.... schreib was immer aus deiener Seele heraus will... Es wird dir gut tun, dir Luft geben zum Atmen... Wir gehen hier alle ein Stück Weg gemeinsam... Vielleicht hilft es auch dir etwas...

    Sei von Herzen umarmt...

  • Doch dann werde ich traurig und wütend, weil es nicht mehr das gleiche ist. Weil ich ihr Lachen nicht höre, ihre schönen liebevollen Augen nicht mehr sehe, ihre weichen Hände nicht mehr berühren kann.

    Liebe Alika,

    Dein Verlust tut mit sehr leid. Ihr habt so viel mitgemacht. Danke, dass du uns deine Geschichte anvertraust. Du hast recht, es ist leider nicht mehr dasselbe. Die Physische Präsenz fehlt.


    Jetzt gilt es diesen Trauerweg mit allen auf und abs zu gehen, und ich wünsche dir, dass du irgendwann eine neue Art der Beziehung zu deiner Mama aufbauen kannst, und das das Schreiben hier und der Austausch dir hilft.


    Fühl dich willkommen <3

    Isabel

  • Ihr Lieben,


    so viele herzliche Antworten in kurzer Zeit:2:


    Natürlich, jeder Tag, wo ein geliebter Mensch aus dem Leben genommen wird, ist zu früh und niemand ist "alt genug"... dennoch tut es umso mehr weh, wenn man andere sieht, deren Eltern viel älter sind. Als meine Mama im Koma lag, wurde eines Tages ein Mann eingeliefert, der war fast 80 Jahre alt. Auch seine Frau haben sie auf das schlimmste vorbereitet - und nur 48 Stunden später konnte der Mann auf die Normalstation verlegt werden. Und ja, ich gebe zu: man fragt sich schon, welchen Gerechtigkeits-Maßstab das Schicksal eigentlich hat.


    Eine Freundin meiner Mutter meinte, wer weiß, was meiner Mama dadurch erspart geblieben sei. Ich habe sie einfach nur angesehen, ich wusste nicht, was ich auf solch eine Aussage antworten sollte. Sie selbst ist 76 Jahre alt, also 10 Jahre älter als meine Mama.


    Schlimm sind die Stunden, in denen ich mich schlichtweg nicht aufraffen kann, irgendetwas zu tun. Wo ich nur Löcher in die Decke starre, bis ich irgendwann solche Panikattacken bekomme, dass ich freiwillig irgendetwas tue. Oft erwische ich mich dabei, wie ich darüber nachdenke, ob ich mit dem Rauchen anfange, oder, dass mein Medikament gegen meine Muskelerkrankung als Nebenwirkung Hautkrebs auslösen könnte, sollte man sich ungeschützt der Sonne aussetzen. Dann schäme ich fast schon selbst über diese Gedanken, höre meine Mama quasi direkt schimpfen, und entschuldige mich bei meinen Samtpfoten.

    Aber es "beruhigt" mich, dass ich mit solchen Gedanken nicht alleine bin und es vielleicht sogar zum Trauerprozess dazu gehört. Mein Hausarzt hatte mich in die Psychiatrie einweisen wollen, weil ich seiner Meinung nach zu stark trauere. - Er meinte sogar, ich solle die "Entwicklung" als "Chance" betrachten. Ich musste mich stark bemühen, ruhig zu bleiben!:4:

    Und am Anfang fragte ich mich oft, ob ich unsere Liebe nicht "verraten" würde, wenn ich weiterlebe. Obwohl ich weiß, dass sie immer wollte, dass ich weiterlebe. Wir hatten uns tatsächlich oft darüber unterhalten, denn auch sie war am Boden zerstört, als ihre Mutter gestorben war. Doch dann kam ein Jahr später ich, obwohl die Ärzte meiner Mama gesagt hatten, sie könne keine Kinder bekommen. Und so sagte auch sie immer zu mir, dass ich weiterleben muss, denn eine Mutter setzt ein Kind nicht auf die Welt, damit es nur für sie lebt.

    Aber ich habe gerne mit ihr gelebt, sie beschenkt (sie konnte sich über Kleinigkeiten riesig freuen), mit ihr herumgealbert und auch mit ihr geweint. Niemand versteht mich so gut wie sie es tat. Bei niemanden konnte ich so bedenkenlos ich sein wie bei ihr...


    Jetzt steht erst mal Ostern vor der Tür und ich bin froh, wenn die ersten Feiertage vorüber sind... das versteht ihr alle, die schon Weihnachten "anders" verbringen mussten (:13::33:), sicher bestens...


    Danke euch nochmals für eure Antworten!

    :*

  • Liebe Alika,


    ja, dass denken viele.


    Aber egal, wie alt ein Mensch wird, für die nächsten ist es ein Verlust, der schmerzt. Da zählen die Lebensjahre nicht und helfen auch nicht darüber hinweg.


    Der Tod ist für Liebende immer zu früh.


    LG Luise

  • Mein Hausarzt hatte mich in die Psychiatrie einweisen wollen, weil ich seiner Meinung nach zu stark trauere. - Er meinte sogar, ich solle die "Entwicklung" als "Chance" betrachten. Ich musste mich stark bemühen, ruhig zu bleiben!:4:

    Liebe Alika,

    Leider sind so gut gemeinte Worte oft ein Schuss nach hinten. Vorallem am Anfang der Trauer, wo man noch gar kein Licht sehen kann.

    Sicher kann man Krisen auch als Chance sehen, aber nicht von heute auf morgen, und ganz sicher nicht zu Beginn einer so tiefen Trauer.


    Ich hoffe du kommst gut durch die Ostertage. Und natürlich kannst du auch hier jederzeit schreiben. Hier ist immer jemand der zuhört <3

  • Hallo!

    Die Ostertage sind geschafft... mehr schlecht als recht...

    Ich habe die alten Sprachnachrichten von Mama angehört. Danach geht es mir noch schlechter. Es will einfach nicht in meinen Kopf, dass...sie nicht mehr da ist, physisch zumindest. Dass wir nie mehr zusammen sein werden. Dass ich sie nie wieder lachen höre, sie nie mehr in die Arme schließen und ihr nie mehr sagen kann, wie sehr ich sie liebe.


    Mir fehlen ihre Erzählungen und ich habe panische Angst, alles zu vergessen. Ich habe keine Familie außer meiner Mama. Sie selbst war Einzelkind und meine Großeltern habe ich nicht einmal kennen gelernt. Aber durch ihre Erzählungen war mir das nie bewusst gewesen. Ich hatte immer das Gefühl gehabt, meine Oma, ja sogar meine Urgroßeltern persönlich gekannt zu haben. Und ich habe ihre Erzählungen immer genossen, auch wenn ich sie zum 1000. Mal hörte.

    Nun habe ich Angst, sie zu vergessen. Eigentlich kann ich es mir nicht vorstellen, dass ich das tue, aber die Angst ist da.


    Momentan geht es mir sowieso ganz schlecht. Ich kann morgens nicht aufstehen, weil der erste Gedanke ist: du wirst sie jetzt nicht sehen, wenn du aus deinem Schlafzimmer kommst. Sie wird dich nicht anlächeln, dir einen guten Morgen wünschen, sich freuen, wenn sie dich sieht (das hat sie immer getan, obwohl wir doch zusammen lebten). Wenn du aufstehst, wirst du nur dir einen Kaffee kochen, nicht ihr auch einen Tee, und wir werden nicht gemeinsam dasitzen, Kaffee und Tee schlürfen und den Tag willkommen heißen.

    Nie mehr.

    Diese Dimension ist einfach nicht greifbar. N i e m e h r - wie kann das sein? Gestern, gefühlt, war doch noch alles in Ordnung. Warum ist sie nicht mehr da? Warum musste sie so früh gehen?

    Ich habe das Gefühl, ihr noch so viel sagen zu wollen. Obwohl ich nicht sagen kann, dass irgendetwas ungesagt zwischen uns war. Sie wusste, dass sie mein Ein und Alles war und sie hatte deswegen immer Angst, was aus mir würde, wenn sie.. eines Tages nicht mehr ist. Ob ich mir dann etwas antue. Insofern: ja, sie wusste, dass ich mehr liebe als alles andere. Und trotzdem habe ich Angst, dass sie es nicht wusste. Das klingt doof, oder? Ich weiß auch nicht...


    Ich ertrage das alles nicht. Ohne sie zu sein. Das ist so verdammt ungerecht. Den ganzen Tag hänge ich einfach nur rum, ausgerechnet ich, das passt so gar nicht zu mir. Aber ich kann einfach nicht anders. Auch wenn ich weiß, dass ihr das sicher nicht recht wäre. Sie würde nicht wollen, dass ich ihretwegen mich hängen lasse und so viel weine. Aber wie könnte ich das nicht tun? Wie könnte ich nicht weinen, wenn meine eine Hälfte mir genommen wurde? Wie könnte ich einfach so weitermachen, wo mein Herz gebrochen ist und ich genau weiß, dass sich diese Wunde womöglich mal schließen, aber niemals schmerzfrei sein wird? Wie kann ich morgens frohen Mutes aufstehen, wenn ich weiß, dass ich von nun an ohne sie "leben" muss? Und woher soll ich überhaupt den Mut nehmen, wenn ich nur voller Angst auf dieses "ohne sie", ohne mein anderes Ich, ohne diesen wundervollen, großartigen Menschen schauen kann?


    Ich grüße euch alle!

  • Liebe Alika,

    als ich Deine Worte gelesen habe, war ich nur noch am Weinen. Erinnerungen kamen in mir hoch, als meine geliebte

    Mutti starb, da ging es mir genauso elend wie Dir. Aber eines kannst Du ganz beruhigt sein, Deine Mama wusste, wie sehr

    Du sie liebst. Die Mama´s wissen das. Sie spüren das. Unsere Mama´s kennen uns besser, als wir uns selbst, und es wird

    auch nie wieder einen Menschen geben, der uns so bedingungslos liebt, wie unsere Mama´s es taten. Sie sind wirklich

    ein Geschenk des Himmels gewesen, wofür ich heute noch sehr dankbar bin, dass ich solch eine tolle Mutti hier auf Erden

    haben durfte. Die Beste auf der ganzen Welt.:)

    Ja, unsere Mama´s waren nicht nur unsere besten Mama´s, nein, sie waren auch unsere besten Freundinnen und gleich-

    zeitig auch unsere große Schwester. Unsere Mama´s waren unsere Familie. Uns fehlte nichts. Wir waren glücklich, so wie

    es war. Ein Geschenk des Himmels. Und dann auf einmal ist sie tot,, für immer. Das ist unbegreiflich für unser liebendes

    Herz. Der Kopf weiß es zwar, aber das Herz kann es einfach nicht wahr haben. Das Herz verdrängt diese schreckliche Wahrheit

    immer wieder, sonst würde es diesen Schmerz nicht aushalten. Aber wir werden ja bei jeder Kleinigkeit die wir tun, an sie

    erinnert. Kein Guten Morgen mehr, kein gemeinsames Frühstück, keine Erzählzeit in Mutti´s großem Bett, keine Spaziergänge

    oder gemeinsame Einkäufe, einfach nichts mehr gemeinsames. Alles allein. Das war schrecklich. Dieser Schmerz überforderte

    täglich meine Schmerzgrenze. Und keine Menschenseele war da, wo das verstehen konnte. Im Gegenteil. Ich wurde noch be-

    lächelt, wie ich nur so um meine ALTE Mutter trauern könnte. Soll mir jetzt endlich einen Mann suchen und mein Leben leben.

    Oh Mann, am liebsten hätte ich damals einen Prügel genommen und rund um mich herum reingeschlagen und geschrien:

    kapiert doch endlich, ich will keinen Mann verdammt noch mal, ich will meine Mutti wieder haben. Aber ich tat nichts der

    Gleichen. Ich zog mich nur immer mehr von der schrecklichen Außenwelt zurück.

    Erst durch meinen Glauben veränderte sich meine Trauer und ich konnte wieder ein besseres, aber anderes Leben aufbauen.

    Aber meine Mutti, werde ich nie vergessen und ich bin heute so dankbar, dass ich so eine tolle Mutti hier haben konnte.

    Und ich würde all das Leid wieder in Kauf nehmen, wenn ich die Chance bekäme, nochmals mein Leben hier auf Erden mit

    meiner Mutti verbringen zu dürfen. Sie ist jede einzelne Träne wert, die ich um sie weinte und noch manchmal auch heute

    noch weine. Das sind alles Liebestränen.

    Liebe Alika, bitte gebe Dir Zeit. Trauerarbeit ist Schwerstarbeit. Aber glaub mir, es wird erträglich werden und man lernt dankbar

    für die zusammenverbrachte Zeit zu sein. Und eines Tages sehen wir uns wieder. Und bis dahin probieren wir so gut wie wir

    können unsere Mama´s glücklich und stolz auf uns zu machen. Manchmal bilde ich mir ein ich höre meine Mutti zu Jesus sagen:

    schau Jesus, die da unten mit den zerrissenen Jeans, das ist meine Kornblume.

    Und ich flüstere dann Jesus zu: - pass bitte gut auf meine Mutti auf, bis meine Zeit gekommen ist.

    Ich würde Dir gerne tröstende Worte schreiben, aber die gibt es leider nicht. Da müssen wir alle durch.

    Trotz allem wünsche ich Dir weiterhin viel, viel Kraft auf Deinen schweren Weg und

    alles Liebe

    kornblume

  • Liebe Alika

    ich kann dich soooo gut verstehen...

    Ja, wir werden unsere Mama's nie wieder sehen in diesem Leben...

    Ja, sie werden uns nie wieder "Guten Morgen mein Schatz" sagen...

    Ja, sie werden uns nie wieder einen Rat geben, uns zuhören...

    Ja, wir werden nie wieder zusammen essen oder Kaffee trinken...

    Ja, sie werden uns nie wieder sagen: Pass auf dich auf!

    Ja, wir werden nie wieder mit ihnen zusammen lachen oder weinen...und

    ja, wir werden uns nie wieder sagen können: Ich hab dich lieb!

    Und trotzdem geht unser Leben weiter...Tag um Tag...Woche um Woche...Moant um Monat...OHNE unsere tollen Mama's!

    Wir werden lernen müssen, unsere Wege alleine zu gehen - und wir werden es schaffen!

    Unsere Mama's haben uns stark gemacht! Sie waren uns tolle Vorbilder! Sie haben uns gezeigt wie man mit Krisen umgeht, wie man TROTZALLEM weitermacht... Meine Mama zumindest. Sie musste viele Krisen durchmachen und hat ihren Weg so dermaßen mutig beschritten dass ich nur meinen Hut ziehen kann... Wenn ich es nur annähernd so gut meistere...nadann!

    Liebe Alika, nichts auf der Welt nimmt uns diesen Schmerz - er wird uns den Rest unseres Lebens begleiten. Es wird helle Tage geben und stockdunkle, es wird Lachen geben und Weinen, es wird Wut und Dankbarkeit geben, Schmerz und Freude....

    Nimm alles so wie es kommt an, mutig und stark - wir werden es schaffen!

    Und so wie Kornblume es beschrieben hat...: Wir sind nicht alleine!!! Es gibt eine höhere Kraft die uns begleitet - und: Es gibt unsere Himmels-Mamas! Davon bin ich felsenfest überzeugt...und das gibt mir die Kraft, jeden Tag weiter zu gehen...

    Ich schicke dir für den heutigen Tag ganz viel Mut....lass dich von der Sonne umarmen und stelle dir vor, es sind die Arme deiner <3 Mama <3

    Ich grüße dich von ganzem Herzen!

  • Ihr Lieben,


    wo soll ich anfangen?


    Zunächst bei dir, liebe Kornblume. Vielen Dank für deine Nachricht, die auch mir (wieder mal) Tränen in die Augen hat schießen lassen. Tatsächlich war es nur mein Hausarzt, der mir, wie oben erwähnt, erklärte, ich würde quasi zu stark trauern. Er war schon immer der Ansicht gewesen, die Verbindung zwischen meiner Mama und mir sei nicht normal, ich hätte mich nicht abgenabelt und meine Mama mich nicht losgelassen. Was für ein Quatsch! Und wie ich mich zusammen nehmen musste, als ich ihm gegenübersaß!!:cursing:

    Insofern kann ich dich sehr gut verstehen, wie du dich gefühlt haben musst bei solch dämlichen Kommentaren. Auch wenn ein Mensch über 100 Jahre alt würde - man würde ihn trotzdem schmerzlich vermissen. ...


    Auch dir ein herzliches :2:, liebe Mirachen, über deine ebenso herzliche Nachricht. Ihr beide schreibt, dass euer "Glaube", so nenne ich es jetzt mal übergeordnet, hilft. Ich bin nicht direkt gläubig, aber auch nicht unreligiös. Ich glaube auch, dass es etwas gibt, das uns Menschen verborgen bleibt, das uns lenkt, das alles irgendwie zusammenfügt. Wie ich schon erzählte, hatte ich auch immer das Gefühl, dass meine Oma stets bei mir war und ich mich beschützte.

    Trotzdem fällt es mir schwer gerade. Ich versuche, zu verstehen, was passiert ist, wo meine Mama nun ist und ich merke: ich werde es nie verstehen und ich werde nie Sicherheit erfahren. Ich bin der Situation ausgeliefert, ich kann sie nicht ändern, nichts rückgängig machen. Ich kann bis zur Unendlichkeit grübeln und denken und werde dadurch nicht weiterkommen, im Gegenteil.

    Und das ist eine Katastrophe für mich.

    Meine Mama war eine Kämpferin, das hat sie an mich weitergegeben. Probleme gibt es nicht, nur Lösungen. Dazu kommt, dass ich ein Kopfmensch durch und durch bin und all diese Eigenschaften, die ich bisher als meine "besten", erachtete, weil sie mir letztlich immer gute Dienste erwiesen haben, scheinen nun das Problem zu sein. Manchmal denke ich: dann akzeptiere es jetzt einfach. Mama ist tot. Sie ist nicht mehr da. So ist das Leben. Auch ich werde irgendwann sterben. Und weder an dem einen noch an dem anderen kann ich etwas ändern.

    Was soll ich sagen? Das hilft absolut gar nicht. Im Gegenteil. Es auszusprechen, ist, als würde ich "es" erst wahrmachen, und irgendwie ist es mir nicht möglcih, zu realisieren, dass dieses Unvorstellbare, dieses Grausamste, was mir je passieren konnte, tatsächlich jetzt, so plötzlich und unerwartet, jetzt wahrhaftig geschehen ist.


    Mein Stiefvater meinte, die aktuelle Corona-Situation wäre nur noch schlimmer, da ich so isoliert bin. Das stimmt nicht. Ich habe wenige, aber dafür "richtige" Freunde, und meine beste Freundin lebt noch nicht mal in Deutschland. Wir haben auch so Kontakt. Ich hatte nie mehr zu meinem Leben gebraucht: meine Mama, unsere Katzen, meine Bücher. So war das Leben perfekt.

    Nun hocke ich den ganzen Tag vorm Fernseher. Ausgerechnet ich! Ich hasse fernsehen. Mit Mama habe ich oft Fernsehen geschaut, unsere Lieblings-DVDs, Nachrichten, Dokumentationen, so was. Aber das, was ich jetzt mache - das glaubt niemand, der mich kennt. Und ich klebe förmlich vorm Fernseher, besessen davon, dass ich ja nicht daran denke, dass mein Leben plötzlich eingestürzt ist. Dabei kann ich noch nicht mal sagen, was ich konkret schaue. Und mir geht es nicht wirklich besser dadurch. Ich kann mich selbst nicht leiden, dass ich mich so hängen lasse. Ich habe soe viele Interessen und Hobbys, denen ich nachgehen könnte - ich mache es nicht. Ich kann mich nicht aufraffen. Und alles, was ich tue, fühlt sich wie Verrat an. Dass ich esse. Dass ich trinke. Dass ich überhaupt lebe. Aber ich mache es für unsere beiden Katzen, die ohne mich niemanden mehr hätten und das nach immerhin 17 Jahren bei uns (sie sind bei uns geboren!). Und natürlich weiß ich, dass meine Mama nicht wollte, dass ich aufgebe. Sie hat es ja auch nicht, damals, vor 30 Jahren, als ihre Mama starb.


    Aber wie hat sie das nur geschafft? Ok, ein Jahr später wurde ich geboren. Aber es ist eine ernst gemeinte, wenn auchvielleicht blöde Frage: wie schafft man das? Wie kann man Jahre (!!!!!) diesen Verlust ertragen? Wie kann man weiterleben, wenn einem das Wichtigste genommen wurde? Wie kann man an die Zukunft denken OHNE diesen über alles geliebten Menschen, ohne dabei verrückt zu werden?

    Ich bin mit 28 Jahren nicht alt, aber ich kam mir noch nie so erbärmlich jung und klein vor. Und noch nie habe ich mit so viel Angst an die Zukunft gedacht, an diese womöglich entsetzlich vielen Jahre ohne sie. Dieser Gedanke ist so unerträglich, ich schiebe ihn immer einfach weg.


    Es stimmt übrigens: es tut gut, all diese Gedanken einfach runter zu schreiben. In dem Wissen, dass hier niemand ist, der einen verurteilt, sondern nur Menschen, die einen verstehen.

    Danke dafür!


    Ich grüße euch! <3

  • Hallo Alika


    Puuuh die Tränen laufen .Deine Beiträge haben mich sehr mitgenommen. Ich hab schon öfter mal nach einen Forum geguckt aber nicht so das richtige gefunden. Jetzt habe ich mal den Mut gefasst und mich hier angemeldet.

    Ich muss mich erstmal sortieren 😢 ich weiß gar nicht wo ich anfangen soll.

    Meine Mama❤️ kam als Demenz kranke am 28.02.17 ins Krankenhaus. Sie hatte einen Darmdurchbruch , es erfolgte eine 6 stündige Not OP und dann lag sie eine Woche im Koma. 30 Grad Körpertemperatur, weiß wie die Wand und viele Geräte. Natürlich auch ein künstlicher Darmausgang. Wie sollte ich ihr das alle je erklären? Das hätte sie nie verstanden😭😭😱 ich wusste auch gleich , dass sie nicht mehr will.

    Es war eine außerirdische Woche in der ich wie neben stand. Ich hatte Kraft für sie zu kämpfen , dass sie gehen kann. Das war nicht leicht , weil die Ärzte dagegen hielten und mir sagten das sie Zeit braucht zum erholen.

    Ich konnte mich durchsetzten und sie ist am 08.03.17 an ihren 73. Geburtstag eingeschlafen.

    Ich war den ganzen Tag bei ihr. Unglaublich ihr Geburtstag & Todestag und nun auch noch ein Feiertag 🖤Punkladung Mama🖤🤍🖤

    Ich muss mal n Pause machen 😭😭😭😭😭😭

  • Liebe Kleene,


    was du erzählst, hat mich auch sehr betroffen. Und wie ich oben geschrieben habe, weiß ich auch, welche "Bedeutung" Tage obendrauf bekommen können. Meine Mama ist auf den Tag genau 30 Tage nach ihrer Mama gestorben und beerdigt worden. Dass deine Mama auch noch an ihrem Geburtstag... das ist... furchtbar. Es ist kein Vergleich, aber unser Kater ist vergangenes Jahr an seinem Geburtstag verstorben und wir dachten nur: das ist absurd, das geht doch nicht! Geburtstag und Todestag in Einem ist einfach ein makabrer Scherz vom Schicksal, das ist zu viel!

    Aber leider ist so etwas kein Scherz. Und ich finde, gerade solche... "Gegebenheiten" lassen einen doch fragen, ob es nicht wirklich etwas gibt, was uns alle bestimmt und lenkt.


    Es gab eine Situation am Tag, bevor meine Mama starb, an die musste ich bei deiner Nachricht denken. Sie hatte schwere Herzrhythmusstörungen, auch an diesem Tag, als ich bei ihr saß. Die Ärzte mussten die Störungen mit dem Defi unter Kontrolle bringen, ich wurde herausgeschickt. Als ich wieder reinkam, hatte ich das Gefühl, meine Mama verloren zu haben. Sie sah entsetzlich aus. Und das Schlimmste: ihre Augen waren offen. Ich war völlig außer mir. Nachdem die Schwester ihre Augen sanft geschlossen hatte, ging ihr rechtes Auge nicht mehr vollständig zu. Ich habe eine autoimmune Muskelschwäche und diese Situation hat mich so verstört, dass ich eine Lähmungserscheinung bekam. Eine Freundin musste kommen und mich mit Rollstuhl abholen und nachhause bringen. Das war so unangenehm! Aber schlimmer war, dass ich tief in mir wusste: das war zu viel für sie. War das ein Anzeichen, dass womöglich ihr Gehirn Schaden genommen hatte? Ich weiß, dass genau das immer die größte Angst meiner Mama war. Demenz zum Beispiel. Sie sagte immer: "Stell dir vor, ich würde dich nicht mehr erkennen! Dann sterbe ich lieber". Oder die Vorstellung, ausgeliefert zu sein, nicht mehr Herrin ihrer selbst zu sein. Das wollte sie nie. Und daran dachte ich, als mich der Arzt am nächsten Tag fragte, ob ich der Abschaltung der Geräte zustimme.

    Ich kam mir vor wie eine Mörderin, wie eine Richterin, die ich nie sein wollte. Bis heute mache ich mir Vorwürfe und obwohl ich weiß, dass es keine andere Wahl gab, bleiben diese Zweifel. Aber ich sage mir immer: was, wenn sie wirklich kognitive Schaden gehabt hätte? Nehmen wir an, sie hätte überlebt, aber wäre massiv kognitiv eingeschränkt. Darf Liebe so egoistisch sein? Natürlich nicht. Ich hätte ihr das niemals gewünscht.

    Trotzdem hätte ich uns ein längeres Zusammensein gewünscht.


    Aber ich möchte dir eigentlich damit sagen, dass ich es mir als ganz besonders entsetzlich finde (als ob "entsetzlich" steigerungsfähig wäre...), dass du deiner Mama aufgrund ihrer Demenz ihre Situation nicht hast verständlich machen können. Und auch dass du wusstest, dass sie an einem Punkt angelangt war, wo sie für sich entschieden hatte, dass ihr Leben nun die Qualität verloren hatte, die sie als Minimum für sich erachtet hatte, trotz ihrer Liebe zu dir.

    Und jetzt weine ich und muss ich abbrechen, weil ich das Gefühl habe, die letzten Zeilen auch an mich und nicht nur an dich zu schreiben...

  • Hi.

    Ich sitze hier , lese deine Nachricht und heule dabei Rotz und Wasser.😭😭😭😭😭😭😭😭😭

    Ich rede fast nie darüber, ich glaub viele können es nicht verstehen. Ich fühle mich nicht wie ein Richter , ich weiß meine Mama ist mir sehr dankbar.

    Ich war immer eine starke selbstbewusste Frau , die mit beiden Füßen mitten im Leben stand. Kindheit , Familie waren eher schlecht bis gar nicht vorhanden. Irgendwie ist mein Kartenhaus zusammengebrochen 😱

    Der Tod meine Mama hat mein stabiles Gerüst und meine Mauer komplett zerbrechen lassen. Es ging nix mehr , so das ich mit therapeutische Hilfe gesucht haben.
    in der Zeit war Ich in einer beruflichen Qualifikation , vormittags auf der Schulbank ( wie auf heißen Kohlen) dann ins Khs auf die ITS und hab jeden Tag an ihren Bett gesessen.

    Mein „Bruder „ für mich nur Biologisch hat mich immer hängen lassen und sich wenig um seine Mutter gekümmert.😡🤬

    Er hat mich auch vor der Sterbe Phase alleine gelassen. Er hat mich auf dem Weg zum Bestatter alleine gelassen. Er hat als sie im Koma war , das Konto meine Mutter abgeräumt. Dazu fallen mir sämtliche Wörter ein , nur nichts nettes.Unterschiedlicher kann man wohl nicht sein. Das ist das aller letzte!
    im letzten Jahr ist mein Erzeugers auch verstorben. Ich hatte nie Kontakt, trotzdem ist es ein wenig komisch. So wie entwurzelt. Die „Eltern“ sind weg.
    Im November einen Tag vor meinem Geburtstag habe ich den nächsten sehr lieben Menschen verloren.😞😔

    Und es wird in nahe Zukunft wieder einen Verlust geben, die Schwester meiner Mutter also meine Tante.

    Klares gehört irgendwie zum Leben aber hab gerade echt genug von all dem😢😢😢😢

  • Aber es ist eine ernst gemeinte, wenn auchvielleicht blöde Frage: wie schafft man das? Wie kann man Jahre (!!!!!) diesen Verlust ertragen? Wie kann man weiterleben, wenn einem das Wichtigste genommen wurde? Wie kann man an die Zukunft denken OHNE diesen über alles geliebten Menschen, ohne dabei verrückt zu werden?

    Liebe Alika,

    Das ist keine blöde Frage- das ist die Frage die sich jeder Trauernde stellt. Einfach weil man es sich nicht vorstellen kann. Unser Bewusstsein reicht gar nicht aus all das zu erfassen und über unseren Schmerz hinweg irgendetwas anderes zu sehen. Du musst jetzt auch noch nicht wissen wie es mal sein wird, Gedanken in die Zukunft überfordern meist. In der Trauer können wir immer nur einen Schritt nach dem anderen gehen.


    Vielleicht hilft dir die tägliche Impulsfrage: "Was tut mir HEUTE gut"?


    Liebe Grüße <3

    Isabel