die Depression hat mir "meinen" Lieblingsmensch genommen...

  • Ich weiß nicht ob man sich hier vorstellen muß/soll/kann....(und ob ich diesen Thread jemals wiederfinde...) jedenfalls bin ich 54 Jahre alt und habe einen 17 jährigen Sohn. Im Mai hat mein Mann einen Tag vor seinem Geburtstag sein Leben beendet. Er sprang Nachts von einer der höchsten Brücken im Umkreis. Und wir haben nichts mitbekommen. Haben geschlafen! als er wegfuhr.....Früh morgens klingelt die Polizei. Mit Seelsorgerin. Das volle Programm. Ein nicht enden wollender Alptraum für uns. Wir haben keine Familie mehr im Hintergrund, wenige Freunde, die in der ersten Zeit beistanden, um sich dann wieder um ihr eigenes Leben zu kümmern. Die schlimmen Panikattacken mit Herzrasen, Angstzuständen habe ich fast vollständig hinter mir gelassen. Ich funktioniere von Anfang an erstaunlich gut. Muss mich um unendlich viele Dinge immer noch kümmern, da noch der Nachlass meines Schwiegervaters nicht abgewickelt war, versuchen meinem Sohn Halt zu geben, der schon seit 2 Jahren irgendwie den Halt verloren hatte, sich selbst und uns das Leben so schwer gemacht hat. Ich frage mich oft wie unser vorher fast perfektes Leben sich so entwickeln konnte und mache mir Vorwürfe nicht genug getan zu haben. Nicht genug gewesen zu sein für meinen Mann. Der Mensch mit dem ich 36 Jahre zusammen war und mit dem ich so viel erlebt habe. Er war immer mein Fels. Ein sehr reflektierter, extrem intelligenter Mensch. Manchmal sagte ich scherzhaft, ich müsse unbedingt vor ihm sterben, wie sollte ich sonst ohne ihn klar kommen.... Natürlich hatten wir immer wieder einmal das Thema Suizid bei der Krankheit. Er sagte immer zu mir "das ist für mich keine Option". Und ich hab ihm geglaubt. Vieles möchte ich noch los werden, aber für jetzt muss ich aufhören.

  • Liebe Blue<3

    fühle dich mit deiner tiefen Trauer willkommen geheissen in diesem Forum wo alle Menschen um einen oder mehrere geliebte Menschen trauern.

    Ich hoffe so sehr , das du dich mit der Zeit geborgen fühlst wie alle hier .


    Du bist durchaus "richtig" hier in diesem "Teilbereich des Forums".

    Vielleicht wäre es dennoch besser wenn Isabel L.K. , unsere Moderation deinen Beitrag in "Verlust des Partners " verschiebt , weil du dann mehr Antworten , die dir ein wenig Trost geben , bekommen könntest ?

    Natürlich hatten wir immer wieder einmal das Thema Suizid bei der Krankheit. Er sagte immer zu mir "das ist für mich keine Option". Und ich hab ihm geglaubt. Vieles möchte ich noch los werden, aber für jetzt muss ich aufhören.

    Gib dir immer die nötige Zeit zum schreiben... Du wirst hier IMMER wahrgenommen in all deiner schmerzhaften Trauer.

    Mein tiefes Mitgefühl<3

    <3Sverja

  • Liebe Blue! Sei herzlich Willkommen hier! Dein großer Verlust tut mir sehr leid!


    Ich kann mir gut vorstellen, dass es sehr schwer ist, einen Suizid zu verarbeiten, weil einfach zuviele Fragen da sind, die keiner beantworten kann!

    Hast du eine Unterstützung, eine Trauerbegleitung oder Trauergruppe?


    Ich hoffe, dir hilft das Schreiben hier, sei lieb umarmt! :30:

    LG Andrea

  • liebe Blue<3

    ich wünsche dir eine bestmöglichste ... bestmöglichste friedvolle Nacht...


    und fühle dich hier geborgen<3 und mehr ... weitaus mehr wie "verstanden"...

    es ist MIT -Gefühl was uns vereint

    <3lichst Sverja

  • Liebe Blue,

    Mein Mitgefühl zu deinem schweren Verlust. Es ist so verständlich, dass du dich fragst ob du mehr hättest tun können. Ich weiß nicht ob ich den vorletzten Satz richtig verstanden habe- Hatte dein Mann eine Erkrankung?


    Wie geht es deinem Sohn? Wie ist eure Verbindung derzeit?


    Ich hab deinen Thread unter Verlust des Partners verschoben, damit er mehr Sichtbarkeit bekommt.

    Schreib hier jederzeit und fühl dich willkommen <3

    Isabel

  • Liebe Blue,

    das ist wirklich schrecklich, was du erleben musstest. Ich wünsche dir und deinem Sohn von Herzen ganz viel Kraft und dass ihr das gemeinsam durchsteht. Es tut mir so leid, über die Trauer anderer lesen zu müssen, aber es hilft auch zu wissen, dass ich nicht die einzige bin, die soetwas in der Art aushalten muss.

    Viel Kraft für dich und deinen Sohn

    Dorit

  • Liebe Blue,


    mein aufrichtiges , herzliches Beileid zum Tod Deines Mannes. Die Gefühle die in Dir toben , Deine Fragen , Deine Vorwürfe ich erahne sie.


    Dir und Deinem Sohn wünsche ich alle Kraft dieser Welt und ich hoffe das Du reden kannst darüber das Dein Mann Suizid begangen hat, offen und frei , denn zu tabuisieren , totschweigen, ist fatal ,


    Ich spreche aus Erfahrung,In meiner Familie war es so , vor vielen Jahren ,nach dem Suizid meiner Großmutter.


    Dir verbundene Grüße Gabi & Unser Mäuschen

  • Liebe Blue,


    Es tut mir leid, was deinem Mann und damit auch dir widerfahren ist.


    Ich fühle mit dir.


    Ich glaube, deine Gefühle und Gedanken halbwegs erahnen zu können


    Ich habe meine Mutter durch Suizid verloren, aber das liegt jetzt schon Jahrzehnte zurück. Ich war damals noch ein Kind, gerade mal 11 Jahre alt.

    Auch meine Mutter war depressiv und hat sich, als sie die Qualen der Depression nicht mehr ertrug, mitten in der Nacht aus dem Haus geschlichen und sich dann von einem Zug überrollen lassen.

    Auch wir schliefen und ahnten nichts.

    Sie hat keinen Abschiedsbrief hinterlassen.

    Auch sie wiegte uns in Sicherheit. Sie versprach uns, sich nichts anzutun und wir glaubten ihr und fühlten uns dadurch "sicher"...


    Noch heute beschäftigt mich dieser selbstgewählte Tod sehr....


    Im Laufe meines Lebens habe ich viele geliebte Menschen an den Tod verloren, doch der Suizid ist die Todesform, mit der ich am schlechtesten zurecht komme und die für mich am schwersten zu betrauern ist und gravierende Folgen hinterließ.


    Hilflosigkeit, Ohnmacht, die Frage nach dem Warum, nach vermeintlichen Versäumnissen beherrschen wohl jeden, der einen geliebten Menschen verloren hat.

    Das ist normal. Und das zermürbt.


    Aber ein Tod, der selbst herbeigeführt wurde, mit so viel Gewalt gegen sich selbst, hinterlässt noch viel mehr viel offene Fragen.

    Für Hinterbliebene von Suizid sind die Fragen, die sich aufdrängen, noch viel bohrender - finde ich.


    Fragen wie:


    wieso hat er/sie sich mir nicht anvertraut, ich war doch da für sie/ihn?


    War ich/wir nicht Wert genug, am Leben zu bleiben?,


    Wie hätte ich das verhindern können?


    Hätte ich evtl eine Zwangseinweisung in eine Psychiatrie veranlassen sollen?


    Habe ich nicht "genug" geliebt?


    Wieso war ich so blind und hab nichts bemerkt. ?


    Warum hast du mir/uns das angetan?


    und und und....


    Tausend und mehr Fragen.


    Ich weiß, liebe Blue, nach einem Suizid weiterleben müssen, ist sehr, sehr hart Es ist schwer mit einem solchen Tod adäquat umzugehen


    Und die leider auch heute immer noch oft vorzufindende Verständnislosigkeit der

    Umwelt tut ihr übriges,


    quält noch zusätzlich.


    Macht noch einsamer als ein "normaler" Todesfall...

    macht mundtod... ist oft Scham bersetzt.


    denn:


    Suizid ist, trotz Aufklärung, auch heute immer noch ein Tabuthema. Leider.


    Immer noch werden Suizidhinterbliebene ausgegrenzt, wird ihnen offen oder mit vorgehaltener Hand, Schuld an diesem Tod zugeschoben, .(da muss doch was "faul" gewesen sein"... )


    Es bleibt einfach ein Makel.


    Zur Trauer kommt die Scham und oft wird die eigentliche Todesursache deswegen verschwiegen. Mit oft fatalen Folgen.

    denn das erschwert wiederum die "Aufarbeitung", das sich Anvertrauen können...


    Ich habe erst Jahrzehnte später darüber sprechen können, dass Mama den Schienentod suchte und wurde darüber seelisch krank.


    Daher freue ich mich so, dass du offen über die Depression deines Mannes sprechen kannst und den Weg ins Forum gefunden und dich angemeldet hast.


    Behalte die Trauer nicht für dich, teile sie anderen mit, damit sie dich ein wenig mittragen können.


    Diese Forum ist ein guter Platz dafür.


    Unsere Geschichten sind alle unterschiedlich, aber in derTrauer sind wir uns gleich.


    Schütte dir dein Herz aus - so oft du magst, so oft du kannst. Wir hören dir zu.


    Depression ist eine fürchterliche Krankheit und leildeLlr endet diese Krankheit für viele Erkrankte mit dem Tod.


    Und niemand, niemand trägt daran die Schuld!!!!


    Da ich selbst zu Depressionen neige und lange Zeit sehr suizidal war (Selbsteinseinweisung in Klinik, sehr lange stationäre und ambulante Therapie)

    kenne ich beide Seiten.


    Ich weiß um die Unfähigkeit des Depressiven, mit anderen über sich zu sprechen.

    Kenne die Wort-und Sprachlosigkeit, kenne den Rückzug.


    Es ist ein grausamer Zustand in dem man lebt... Nein, nicht lebt... "dahinvegetiert", als Toter unter Lebenden. (ich weiß, daß klingt jetzt hart, aber es war bei mir so).


    Man lebt in seiner eigenen Hölle und der Tod hat etwas tröstliches, lockt mit Ruhe und Vergessen.


    Viele Trauernder kennen solche Zustände, aber in der Depression ist das "1000fach verstärkt.


    Wenn man an Depressionen leidet, dann denkt man - krankheitsbedingt - in Mustern, die sich Nichtbetroffenen sehr schwer erschließen.. nicht nachvollziehbar erscheinen. .


    Und man verliert den Blick F für bessere Lösungen.


    In einem gewissen Stadium kann man auch keine Hilfe mehr annehmen, nichts dringt zu einem mehr durch.. .


    Ich habe auch nicht mehr mit anderen über meine Gedanken gesprochen.

    1. weil ich die anderen nicht belasten wollte und

    2. weil ich wusste, sie würden dann den Suizid verhindern wollen.

    Den Suizid den ich als "Erlösung" aus unmenschlichen Qualen ansah.


    Und ich wurde zu einer Schauspielerin. Ich konnte mich, was meine Suizidgedanken betrifft, sehr gut verstellen. Niemand merkte was, alle dachten es ginge mir besser.

    Ich möchte gar nicht mehr daran denken, was mich dies an Kraft kostete. Kraft die ich anderweitig dringend gebraucht hätte.


    Es gab damals 2 Seiten in mir:

    Zum Einen der Wunsch zu leben, weil ich

    ja irgendwie am Leben hänge

    und zum Anderen der unbändige Todeswunsch, der Wunsch dem Leiden zu entkommen.


    Ein gnadenloser Sog der unbarmherzig nach unten zog.


    Ein Hin-und Hergerissensein, ein Nicht Wissen, wie es weitergehen soll und ein starker Wunsch


    nach Ruhe und Frieden.


    Ausserdem empfand ich mich als Last für die anderen.

    Ich dachte tatsächlich, den anderen ginge es besser ohne mich. Sie könnten ohne mich endlich glücklich sein. Ich täte ihnen einen Gefallen.


    Ja, so krude waren die Gedanken.


    Heute weiß ich, daß nicht Ich diese Gedanken hatte, sondern dass mir die Krankheit Depression diese Gedanken einflüsterte.


    Warum ich dir das erzähle?


    Weil ich denke, deinem Mann ging es ähnlich.


    Ich bin mir sicher, dass dir dein Mann dies nicht "angetan" hätte, wenn er nicht - krankheitsbedingt - in seinem Fühlen und Denken extrem eingeengt gewesen wäre.


    Er war in seinem Schmerz, seinem Wunsch, dass endlich alles vorbei sein soll, so gefangen gewesen, dass kein anderer Gedanke mehr Platz hatte....


    Die Krankheit Depression war einfach zu stark.


    Und du hättest diese Krankheit niemals weglieben können.!!


    Du hast getan, was du konntest. Mehr ging nicht.


    Du hast deinem Mann sein Leid nicht abnehmen können.


    Liebe Blue, ich schicke dir einen kleinen Lichtstrahl.


    Du musst jetzt durch ein Tal voller Verzweiflung, voller Schmerz, durch das Tal der vielen, vielen Tiefs...

    Gehen mussst du diesen Weg zwar allein aber wir sind da, um dich zu begleiten und zu stützen und aufzufangen, falls du ins Straucheln kommst.


    Viel Kraft, viel Mut, viel

    Durchhaltevermögen, ganz viel Geduld mit dir selbst und viele kleine Momente zum Durchschnaufen.


    wünscht dir


    blaumeise


    Komm gut durch die Tage

  • Liebe Blue<3

    ich wünsche dir und deinem Sohn für heute einen Tag den ihr bestmöglichst körperlich und seelisch übersteht<3:30:<3

    wir ALLE begleiten dich mitfühlend auf eurem Trauerweg


    <3 Herzensgrüsse

    Sverja

  • liebe Blue,


    gerade eben habe ich deine zeilen entdeckt und möchte dir mein tiefes beileid aussprechen:30:


    ich weiss durch meinen ersten mann wie schwierig es ist mit schweren depressionen als angehöriger umzugehen bis hin zu suizid-absichten und wie sehr belastend das alles ist. und dann mit diesem schrecklichen ende für dich.


    die frage ob du etwas hättest verhindern können, ist aus meiner sicht mit einem klaren NEIN zu beantworten.... ich habe mich damals sehr mit diesem thema auseinander gesetzt....damals gelernt, dass ein depressiver mensch sehr gut schauspielern kann und einfach nur die heile welt vorgaukeln möchte.... alles ist paletti, alles im lot... aber dem ist nicht so. und wenn sich der gedanke einmal fest gesetzt hat, nicht mehr leben zu wollen, kann dies niemand mehr verhindern.... du bist nicht schuld - dein mann wollte diesen schritt machen....


    das bedeutet nicht, dass du oder dein sohn ihm nichts bedeutet haben. ich glaube, diese frage hast du zu allem kummer ebenfalls in dir... das eine (die liebe zu dir und deinem sohn) hatte vermutlich garnichts mit dem anderen (dem suizid) zu tun....


    eine liebe umarmung von Bine