Hallo Ihr Lieben da draußen,
eine gefühlte Ewigkeit habe ich nicht mehr in einem eigenen thread geschrieben sondern nur sporadisch bei anderen.
Doch jetzt habe ich das Gefühl, ich bräuchte für mich wieder ein eigenes "Wohnzimmer", denn es geht mir sehr schlecht und ich will nicht mit meinen Sorgen, einen anderen thread sprengen.
Ursprünglich wollte ich meinen alten Faden : "Aufgeben ist keine Option" unter "Dies und Das" wieder aufleben lassen, aber irgendwie passt er nicht mehr so richtig zu mir. Ich tue mir derzeit sehr schwer mit diesem Motto.
Ich habe das Gefühl, ich falle und falle... ins Bodenlose und nirgendwo ist ein Haltegriff, an dem ich mich festhalten kann.
Aber will ich mich denn festhalten... mich nicht aufgeben?...Ganz ehrlich - ich weiß es nicht so genau.
Früher war ich trotz schwerer Schicksalsschläge immer ein Stehaufmännchen. Ich kam immer wieder irgendwie, irgendwann auf die Beine - auch bei den vielen Trauerfällen ( leibliche Eltern, Pflegeeltern, vertrauteste Freundin) die ich durchleiden musste. Das hat zwar immer lange gedauert (Monate, ja manchmal Jahre), aber jedesmal wurde der Schmerz im Laufe der Zeit sanfter, erträglicher. Es gab immer mehr kurze Lichtblicke und irgendwann kam auch wieder die Lust zu leben. Das Wichtigste: damals verspürte ich immer einen Hauch Zuversicht, Hoffnung in mir.
Doch jetzt ist alles anders.
All das Wissen nützt mir nichts.
Ich weiß zwar vom Kopf her - und wie gesagt aus eigener Erfahrung - dass Trauer seine Zeit braucht, dass ich Geduld benötige, dass ich mich nicht unter Druck setzen darf, dass Trauer in Wellen kommt, dass das Auf und Ab der Gefühle normal ist und und und. Nur - das hilft mir gerade nicht! Mein Verstand weiß das... aber mein Gefühl spielt nach eigenen Regeln. Alle meine bewährten Bewältigungsstrategien
fruchten nicht. Und das macht mir Angst. Ich habe Angst, dass ich bald ganz liegen bleibe und nicht mehr hoch komme.
Ich habe Angst nicht mehr aufstehen zu können - und schlimmer noch - ich habe Angst, nicht mehr aufstehen zu wollen
Ich habe es auch sooo satt, dauernd wieder aufstehen zu müssen, nach vorne schauen zu müssen, Verantwortung für mich übernehmen zu müssen, Verantwortung für die Kinder zu tragen... Ich würde am liebsten dauerschlafen... wäre so bequem.... Und irgendwie tue ich das... Ich komme kaum aus dem Bett....
Es ist egal, was ich zu mir selbst sage. Auf alles weiß ich ein "Ja - Aber". So, als ob ich gar nicht wollte, dass es mir wieder halbwegs besser geht. Es ist so, als würde ich mich selbst bestrafen..
Ich grüble und grüble. All meine Kraft vergeude ich in sinnlosem Grübeln und suhlen in Selbstmitleid. Ja, ich bemitleide mich selbst... und ich weiß das... und ja, es gefällt mir nicht.
Aber, ich fühle mich zentnerschwer vor lauter Kummer und Selbstmitleid. Bleischwer zieht es mich nach unten. Kann kaum einen Fuß vor den anderen setzen. Die Augen brennen so stark, dass ich kaum was sehe. Ich würde so gerne weinen, aber es kommen keine Tränen. Die Tränen bleiben in mir drin, dabei ist in mir ein Meer von ungeweintenTränen.
Was gäbe ich dafür, weinen zu können.
2018 war ich lange Zeit stationär wegen schweren Depressionen und Suizidgedanken. Der Aufenthalt in der Klinik und die Elektroschocktherapie hatten mir geholfen. Selbst die kurz darauf erfolgte schlimme Diagnose und die darauf folgende Chemo und Operation habe ich ohne Depressionen überstanden. Klar war ich niedergeschlagen, traurig etc. aber nicht depressiv (so wie ich D. kenne). Und jetzt?
Ich habe das Gefühl das Monster ist wieder da und zieht mich gnadenlos in seinen Schlund. Diese glotzäugige, glitschige Kröte, die auf meinem Herzen sitzt und mir die Luft zum Atmen nimmt.
Oder ist das einfach "nur" die Trauer?
Letztes Jahr ist mein Partner, der Vater meiner 2 Kinder, nach langer Krankheit gestorben.
Die Erinnerungen an seine Leidenszeit sind so lebendig. Besonders an die beiden Monate vor seinem Tod.
Er wollte nie ins KH aber er konnte sich zum Schluß nicht mehr bewegen und daher rief ich den Notdienst und er wurde ins KH gebracht.
Inzwischen bereue ich, dass wir ihn nicht zuhause sterben ließen.
Mein Sohn quält sich heute noch immer mit diesen Gedanken. Er sagt, wir hätten seinen Vater ins KH gebracht, so wie man einen Hund zum einschläfern zum Tierarzt bringt (das sind seine Worte) Für ihn ist das fast "Mord" und ich weiß nicht, wie ich ihn von diesem Gedanken abbringen kann Er quält sich.... und ich fühle mich hilflos dabei.
Schlimm ist auch, dass meine Bekannten mir das Recht zu trauern absprechen. Wir lebten getrennt und hatten damals bei der Trennung so was wie einen Rosenkrieg. Sehr übel das Ganze. Später haben wir wieder zueinander gefunden. Wir waren zwar kein Liebespaar aber er wurde mein bester Freund, mein Seelenpartner, mein Fels in der Brandung. Trennung mitgerechnet kannten wir uns und 28 Jahre. Aber meine Bekannten verstehen nicht das ich trauere. Noch weniger verstanden sie, dass ich ihn aufnahm und für ihn in seinen letzten Tagen da war. Eine meinte sogar, ich hätte kein Rückgrat.
Zu der Trauer um den Vater meiner Kinder kommen bei mir zudem alte Verlassenheitsängste wieder hoch. Ich verlor meine Mutter mit 11 Jahren. Sie hat mich einfach verlassen (Suizid), ohne Abschied und ohne Abschiedsbrief. War einfach weg, sie hat mich hilflos zurück gelassen... Später starben meine Pflegeeltern und dann meine engste und vertraueste Freundin und jetzt fühle ich mich verlassen - gleich zweimal.
So viele Verluste! (nicht mitgerechnet Tante und Onkel, habe außer meinen Kindern keine lebende Verwandte mehr)
Meine Kindheit habe ich verloren, meinen Lebensmut, meine Gesundheit...
Du meine Güte, jetzt komme ich wieder ins Jammern.
Jeder trägt sein Päckchen - nur meine ich manchmal, ich wäre die Einzige, die schwer zu tragen hat.
Hier im Forum zu lesen, relativiert dann so manches.....
Es hat jetzt gut getan, hier zu schreiben. Völlig unzensiert und gerade so, wie es mir in den Kopf gekommen ist. Bitte seht mir nach, wenn einiges wirr rüber kommt. Ich lese nicht mehr nach, sonst schicke ich meine Jammertirade nicht ab.
Danke fürs Lesen
Allen wünsche ich eine gute Nacht und morgen einen erträglichen Tag.
blaumeise