Gerade habe ich in meinen E-Mails in einem Newsletter etwas gelesen, was mir sehr zu denken gegeben hat:
ZitatKraft gibt uns vieles im Leben, doch wenig gibt uns mehr Kraft, als dem Leben lebensbejahend gegenüber zu stehen. JA sagen, auch wenn uns das Erlebte nicht gefällt. Akzeptanz ist der erste Schritt zur Veränderung. In diesem JA sagen liegt der Schlüssel zur Veränderung, oft direkt schon im nächsten Moment. Daraus, aus diesem JA-sagen, erwächst eine Kraft in uns, die ich Lebensfluss nenne. Wenn wir lebensbejahend denken, handeln, fühlen - bewusst UND unterbewusst - dann kann das Leben durch uns strömen und uns mit Kraft versorgen.
JA zu sagen zum Leben ...
Das ist genau der springende Punkt, der mich von den meisten Menschen auf diesem Planeten unterscheidet und der auch meine Trauer so andersartig macht, wie die Trauer von vielen anderen Menschen, die grundsätzlich JA zum Leben sagen, sich womöglich diese Frage noch nie gestellt haben, weil Leben etwas derart Selbstverständliches ist.
Meine Gedanken dazu - dass ich womöglich gar nicht in ein Trauerforum passe, weil es bei mir nicht nur um die Trauer um meinen Mann geht, sondern darum, dass es mir unmöglich ist, JA zum Leben zu sagen.
Was es natürlich problematisch macht, nach dem Tod des Menschen, der es geschafft hat, für mich das Leben lebenswert zu machen, eine neue Perspektive in diesem, von mir so ungewollten Leben zu finden..
Mit seinem unbändigen Lebenshunger, dessen größter Kummer zu Lebzeiten war, etwas zu verpassen, nicht alles erleben zu dürfen was ihm dieses für ihn so faszinierende Leben anbot, hat er mich praktisch an seiner Fülle teilhaben lassen.
So sehr habe ich mich immer bemüht, dieses Leben sinnerfüllt zu leben, so oft bin ich damit gescheitert und zwar innerlich gescheitert, denn von außen betrachtet habe ich immer bestens funktioniert.
Sogar so gut funkioniert, dass mich andere Menschen um Rat gefragt haben, mir ihre Sorgen anvertraut haben und mich dafür bewundert haben, welche Ruhe und Gelassenheit ich ausstrahlte.
Auf der Suche nach dem Sinn dieses Lebens habe ich mir enormes Wissen angeeignet, aber eines habe ich nie geschafft:
Dieses Wissen so anzuwenden, dass ich dieses Leben, in das ich vor mittlerweile fast 62 Jahren hineingeboren wurde, mit voller Inbrunst bejahen konnte.
Im Gegenteil, im Laufe der vielen Jahre meiner Suche wurde meine Hoffnung auf Lösung dieses Rätsels immer geringer, bis sie nach dem Tod meines Mannes vor knapp zwei Jahren vollkommen erlosch.
In diesen zwei Jahren, den schrecklichsten meines gesamten Lebens, habe ich versucht, den Sinn meines Lebens auf eine spirituelle Ebene zu heben, was mir teilweise auch gelungen ist - dank der Rückschau auf mein bisheriges Leben, das sich von hinten betrachtet auf so wundersame Weise entwickelt hat, dass reiner Zufall nahezu hundertprozentig ausgeschlossen werden kann.
Ich bin mittlerweile ziemlich sicher, dass der Sinn jeglicher Existenz nicht auf irdischer, materieller Ebene zu finden ist.
Ich bin, ebenso wie jedes andere Lebewesen, auf diesem Planeten eine Seele, die hier inkarniert ist, um Erfahrungen zu machen.
Worum es eigentlich geht, werde ich vermutlich erst erfahren, wenn ich die Erde verlassen darf.
Mein eigentliches Problem dabei ist der Umstand, dass ich es beim allerbesten Willen nicht schaffe JA zum Leben zu sagen.
Vor Hannes Tod ist mir das schon schwergefallen und jetzt, nach Hannes Tod ist es damit ganz und gar vorbei.
Vielleicht ist das ja auch kein Zufall, sondern ich habe geplant ein Leben zu leben, das ohne grundsätziche Lebensfreude stattfindet?
Ich finde das gar nicht so absurd, wie es sich anhört, wenn ich bedenke, was für ein materiell gut ausgestattetes Leben ich mir gebastelt habe, gerade so, als ob es für mich wichtig wäre, mich ohne äußerliche Ablenkungen ganz allein mit meinen inneren Befindlichkeiten beschäftigen zu können.
Hat das was mit Trauer zu tun?
Teils, teils.
Ohne Hannes Tod hätte ich viele neue Erkenntnisse nicht gewinnen können.
Ich finde das wichtig, aber nicht schön.
Ich werde es beenden, so wie der natürliche Verlauf es vorgibt.
Aber ich wäre froh, wenn es nicht mehr allzulange dauern würde.
Dazu stehe ich!
JA sagen zum Leben - derzeit ein klares Nein.
Akzeptanz? Tu ich mich noch schwer damit.
Die Kraft weiterzuleben ist dennoch da, nur die Lebensfreude ist verschwunden. Ob sie jemals wiederkommt steht in den Sternen.
Ich übernehme die Verantwortung für mein Leben, für dessen Authentizität, die beinhaltet, dass ich eben nicht JA zum Leben sagen kann, mit allen daraus erwachsenden Konsequenzen.