Mein Mann ist mit dem Flugzeug abgestürzt, seitdem ist alles anders.

  • Liebe Gabi,

    bitte hass Dich - wenn es irgendwie geht nicht für diese Gefühle.

    Ich empfinde Dich nicht als schwach. Im Gegenteil.

    Wie soll man sich denn nicht ausgeliefert und hilflos fühlen im Angesicht der Ohnmacht dem Leben und Sterben gegenüber?

    Ganz herzlich,

    Tereschkowa

  • Ich will einfach nur mein Leben zurück oder sterben dürfen.

    Beides ist nicht möglich.

    Neulich hat mich eine Bekannte gefragt warum ich mich so quäle? Sie hat gemeint, ich solle die Situation einfach annehmen. Sie hat auch noch gemeint, wenn man eh keine Wahl hat kann man sich auch dafür entscheiden glücklich zu sein.

    Immer wieder kommt der Vorschlag, ich solle auf mich selbst schauen und tun was mir Freude macht.

    Hat heute sogar wider Erwarten geklappt, als ich eine Einladung annahm und einen schönen Tag mit gemeinsamen Essen und Spielen annahm. Danach dann der Besuch im Krankenhaus bei einem Sterbenden der nicht sterben will. Ich ertappe mich bei dem Gedanken, warum er sich so ans Leben klammert und nicht aufgeben will. Ich habe nicht einmal mehr Schuldgefühle wegen solcher Gedanken. Ich sitze einfach eine Stunde daneben, versuche ihn zu unterstützen so gut ich kann, wenn ihm die Realität durch die Finger gleitet, wenn er nicht begreifen will wo genau der Notrufknopf auf dem Display ist und er immer das Radio erwischt und wütend wird, weil alles so kompliziert ist, wo es doch eigentlich nicht kompliziert ist, sondern nur seine Lage zwischen Leben und Tod ihm Schwierigkeiten macht. Dazwischen genießt er einen Schluck kaltes Bier, das ich mit Billigung der Krankenschwestern ins Krankenhaus geschmuggelt habe, den Rest vergisst er zu trinken, weil er einschläft.

    Gestern wurde ihm eine Magensonde gesetzt weil das Essen nicht mehr funktioniert.

    Er wacht wieder auf und sagt mit fester Stimme, dass er zwar müde ist, aber noch nicht stirbt.

    Trotzig sagt er es, als wäre der Tod sein erklärter Feind.

    Mir wäre der Tod ein Freund, aber sowas sage ich natürlich nicht.

    Nicht mehr.

    Kommt nicht gut an.

    Bin dann heimgefahren, nach einem Tag voller Lachen, der ein Geschenk wie von einem anderen Stern war und der anschließenden Beschäftigung mit dem Tod, der praktisch schon vor der Tür steht, aber noch heldenhaft abgelehnt wird.

    Voller innerer unausgesprochener Widersprüche sitze ich seitdem daheim, beruhige im Telefongespräch die Schwester des Sterbenskranken und drehe den Fernseher auf.

    Schlafe ein, dann spiele ich ein bisschen am Tablett, als mir plötzlich der Gedanke kommt mich auf einem Datingportal anzumelden, um mich gleich danach wieder zu löschen.

    Ich soll mir irgendeine Beschäftigung suchen, damit mein Tag Struktur bekommt, höre ich mittlerweile von mehreren Seiten.

    Da ist was Wahres dran, wenn ich nur wüsste was mir Freude macht. Denn wichtig ist die Freude bei dem was man tut.

    Wenn man sich für nichts begeistern kann ist man selbst schuld.

    Sei nicht so negativ!

    Jetzt ist es halbdrei und ich bin nicht mehr müde, sondern schreibe Unsinn.

    Morgen treffe ich mich mit einer Frau, die ich vor drei Tagen am Friedhof kennengelernt habe zu einem Spaziergang. Vor drei Tagen fand ich das eine gute Idee, als Zeichen meiner Flexibilität und dass ich mich nicht verkrieche, sondern aus mir herauskomme.

    Gerade eben bin ich mir nicht mehr so sicher.

    Einen Fixpunkt hat mein Tagesablauf ja.

    Vormittags geh ich testen und um Eins ins Krankenhaus meinen täglichen Besuch machen. Bin schon gespannt worauf mein Cousin morgen Lust hat.

    Ich betrachte die ganze absurde Situation wie ein Insektenforscher einen aufgespießten Käfer.

    Emotionslos.

    Fast heiter.

    Immer wenn ich in meine Wohnung gehe, die ehemals mein geliebtes Zuhause war muss ich hemmungslos weinen.

    Er geht mir so sehr ab und ich sehne mich nach ihm. Ich bin voller unerfüllter Liebe und maßloser Sehnsucht und zugleich einfach nur froh, dass mein Liebling rechtzeitig die Reißleine gezogen hat und diesen Alptraum, der sich Leben nennt erfolgreich und glücklich hinter sich gebracht hat.

    Ich mag nicht schlafen gehen, weil morgen (oder besser gesagt heute) wieder ein neuer Tag beginnt und wenn ich irgendwas nicht mehr haben will, dann sind es neue Tage.

    Tage voller Sehnsucht und Einsamkeit, mit Ablenkungen, die an der Oberfläche befriedigen, in der Tiefe aber die Sinnlosigkeit dieses Lebens auf der Erde ohne einen Menschen, den man lieben kann, immer mehr einzementieren.

  • Liebe liebe Gabi...ich verstehe dich so gut... du hast mit deinen Zeilen gerade mein sogenanntes Leben beschrieben... wie oft höre ich diese Aussage, ich soll es doch annehmen, dass er nicht mehr bei mir ist, ich könne es doch nicht ändern und es würde doch nicht helfen mich so zu quälen.... aber ich will es nicht, dieses Leben so wie es nun ist. Ich bin alleine, etwas was ich nie sein wollte, alle sogenannten Freunde melden sich nicht mehr, weil "ich ja keinen Kontakt mehr will" und sie nicht verstehen, dass ich oft tief in einem Loch sitze und kaum rausfinde und mich dann einfach nicht melden kann. Ich will einfach nur nach Hause... warum darf ich es nur nicht?

    Ich setz mich etwas neben dich wenn ich darf und weine mit dir... übermorgen jährt sich wieder dieser unsägliche Tag seit dem mein ganzes Leben in Scherben liegt

  • Sagt mal, ihr beiden,...ist es wirklich so, das viele gleich sind, und wirklich so denken, und fühlen wie der andere, es nur nicht so gut in Worte fassen können..??


    Als ob ihr zwei, aus meinem Leben, von meinem Empfinden schreiben würdet.....es ist schon fast gespenstisch...


    Alles wurde schon gesagt,...habt dank dafür.


    Renate

  • Liebe Gabi, liebe Sunny,


    was uns fehlt, um ein "normales" Leben zu führen, ist die Oberflächlichkeit, die die "Ratgebenden" nahezu genetisch besitzen. Eine Oberflächlichkeit, die wir nie besessen haben und auch nicht erwerben können. Für uns gibt es keine Beliebigkeit des Denkens, Handeln und Fühlens.

    Es bedarf einer großen Kraftanstrengung,

    weiterzugehen ohne unsere Lieben. Und oft fehlt uns die Kraft.


    Ich bewundere Deine Stärke, liebe Gabi, für andere da zu sein. Das macht Sinn, für die anderen wenigstens.


    Was mir ein wenig Kraft gibt, ist der Gedanken, daß jede Zeit ihr Ende hat.


    Ich fühle mit Euch.


    Sommermond

  • Ihr Lieben, ich stimme Euch ebenfalls zu:!:

    Es ist so interessant zu lesen wie sich unsere Empfindungen gleichen, wie ein gewaltiger Schicksalsschlag verschiedene Menschen mit den unterschiedlichsten Lebensweisen plötzlich das gleiche denken und empfinden lässt!

    Es ist beruhigend und erschreckend zugleich, liebe Grüße Karo

  • Es gibt Parallelen. Jürgen hat sich auch oft geweigert einzuschlafen, oder schlimmer noch, er hatte Angst davor. Er wollte nämlich auch nicht mehr aufwachen. Immer wenn er aufgewacht ist, hat er keine Luft bekommen. Daher wollte er lieber nicht mehr aufwachen. Paradox, furchtbar, schlimm. Warum wird uns der Tod immer als Feind verkauft. Vielleicht ist er unser Freund?! Zumindest für die, die gehen möchten. Da würde ich es mir wünschen.

  • Danke ihr Lieben für die Bestätigung, dass nicht ich alleine so fühle.

    Ich kenne auch im realen Leben ein paar Witwen, die so fühlen wie wir.

    Sie alle haben sich zurückgezogen, fallen nicht auf, sind für die Gesellschaft unsichtbar und machen ihre Trauer mit sich selber aus.

    Aber das will ich nicht.

    Wir sind auch wer und wir sind nicht verrückt.

    Und wir baden auch nicht in Selbstmitleid, wie uns die anderen vorwerfen, wir fühlen einfach so!

    Ich für meinen Teil bin ständig dabei der Sache auf den Grund zu gehen und ich habe bemerkt, dass es die in der Gesellschaft eher für schlicht gehaltenen Menschen sind, die die Herzenswärme besitzen zu trösten und Dinge für mich tun, wie einfach da zu sein, wenn ich es brauche, auch wenn sie uns gerne helfen wollen und nicht wissen wie.

    Meine Psychologin hat wirklich was drauf und ist einfach für intensive Gespräche da und gibt mir das Gefühl, dass nichts an mir falsch ist.

    Enttäuscht bin ich von einigen der spirituellen Beraterinnen, die ihre Versagensängste auf mich projizieren und mich dadurch unter Druck setzen. Aus dieser Ecke kommt die oben angesprochene Anweisung zur Selbstreflektion und Gedankenkontrolle, indem man negative Gedanken einfach nicht zulässt oder sie ins Positive verkehrt und versucht an jedem Tag das Positive zu sehen und mehr im Moment zu leben.

    Das Tückisch daran ist, dass daran ja nichts grundsätzlich falsch ist, dass sich aber Gefühle nicht einfach so an und abschalten lassen. Man kann sie zwar für eine gewisse Zeit unterdrücken, aber nicht auf Dauer.

    Außerdem ist das Unterdrücken auch gefährlich, weil das dann körperliche Symptome auslösen kann die keiner wirklich will.

    Ich habe mich mittlerweile wieder ein wenig gefangen und auch mein Cousin ist mittlerweile einen kleinen Schritt weiter, indem er seinen nahenden Tod als Faktum angenommen hat.

    Widerwillig zwar aber immerhin.

    Er ist voller Zorn ob der Ungerechtigkeit des Schicksals, das ihm ein Weiterleben verwehrt. Gerade jetzt wo sich die Dinge für ihn so positiv entwickelt hatten.

    Ich sitze da ein bisschen hilflos daneben, lass ihn reden und halte seine Hand.

    Wenigstens ist er frei zu gehen. Es ist alles geregelt, der Hund bestens versorgt und ich komme auch ohne ihn klar.

    Tiefe Gespräche sind momentan nicht möglich, aber das ist in Ordnung so.

    Es ist ein merkwürdiges Gefühl einen Körper so dahinschwinden zu sehen bei einem Menschen, den man nicht so verzweifelt liebt, dass man alles dafür tun würde, um ihn bei sich zu behalten.

    Erst jetzt, in diesem Augenblick, wird mir die Gnade eines plötzlichen Todes mitten aus dem prallen Leben bewusst. Jedenfalls bei Menschen, die sehr am Leben hängen und sehr auf die Welt da draußen ausgerichtet sind.

  • Ihr Lieben,

    Am Sonntag, den 11. April 2021 gegen 20h ist mein Cousin Sven Ulf Weilharter, unser Ulli, seinem Krebsleiden erlegen.

    Er starb nach dreieinhalb Wochen Aufenthalt im Krankenhaus Kufstein, nachdem sich in den letzten 10 Tagen sein Gesundheitszustand extrem verschlechtert hatte, sodass der Tod ein Erlösung für ihn war.

    Ich bin einerseits erleichtert, andererseits weiß ich überhaupt nicht mehr wie ich mich eigentlich fühle.

    In mir geht alles drunter und drüber und ich funktioniere gewohnt effektiv.

    Ich war gestern und heute beim Bestatter und bin in regem Austausch mit seiner Schwester, der es nachvollziehbarerweise nicht gut geht.

    WhatsApp ist da sehr hilfreich und die Fahrt zu mir ist schon geplant, um den geliebten Bruder auf seiner letzten Reise zu begleiten.

  • Liebe Gabi, mein herzliches Beileid. Jetzt kommt eine sehr schwere Zeit auf Dich zu. In Gedanken bin ich bei Dir, deinem Mann und Deinem Couisin. Wenn Dir danach ist schreibe Deine Gedanken. Dass Du nicht mehr weißt was eigentlich los ist, kann ich gut verstehen. Ich drücke dich. W

  • Liebe Gabi, <3:24::30:<3

    AUCH tapfere Wegbegleiterin von Uli<3:30:<3


    früher habe ich nicht mit soviel smiley geschrieben...das hat sich auch geändert wie so vieles...

    wie so vieles ... Bei dir und auch bei mir...

    Und doch sind wir meinem Gefühl nach ganz tief innerlich gleich geblieben...

    Ich glaube mittlerweile das ganz tief in uns unser "geburtliches SEIN",...

    dieses so völlig freie , mit keinerlei Vorstellung behaftete , ja wirklich innocente SEIN.... losgelöst von jeglicher Gedanken-und Verstandesvorstellung uns durch unser Leben "führt"...

    Ausserdem glaube ich , das wir alle , die hier schreiben und auch nicht hier schreiben... denn wir sind ja wahrhaftig nicht die einzig Trauernden auf dieser Welt...

    dieses geburtliche , innocente SEIN, unser körperliches LEBEN immer als Lebensenergieflamme spüren...


    sie "brennt " manchmal hoch und kräftig und stark...

    manchmal ganz still und klein und ruhig...

    manchmal wild und Funken versprühend...

    manchmal ist da fast nur der Qualm , der Rauch zu sehen...


    doch IMMER

    steigen alle die "feurigen SEINS Flammen" letztendlich nach oben...


    FRIEDE dem SEIN deines Cousins

    FRIEDE dem SEIN seiner trauernden Schwester

    FRIEDE DEINEM SEIN ,

    "meiner" unermüdlich tapferen in allen abwechselnden SEINS Zuständen eigentlich " zuhause" kennenden Gabi...


    alles LIEBE<3:30::30::30:<3 JETZT die sendend

    JETZT ganz <3 Sverja


    P.S. nein, ich bin nicht aufgewacht durch schwere Träume oder mich seelisch unwohl fühlend...doch ich bin jetzt körperlich eine alte Frau , die nachts mal auf die Toilette muss... das ist auch Leben<3;):saint:<3


    It`s an ordanery life... what we live