Hallo zusammen.
Vor ein paar Tagen habe ich dieses Forum gefunden und den ein oder anderen Beitrag gelesen. Vieles hat mich traurig gemacht, aber ich weiß jetzt auch, dass ich nicht alleine bin mit meinem Schicksal und der unendlichen Trauer. Ich wusste gar nicht, dass Trauer so weh tun kann. Manchmal kaum auszuhalten. Im realen Leben gibt es kaum Menschen, die einen trösten können oder einem Kraft geben. Man fühlt sich mit seiner Trauer alleine gelassen. Zeigt man sie, wird man in der Gesellschaft schnell gemieden, als wenn man eine ansteckende Krankheit hätte. Zeigt man sie nicht, benehmen sich die Menschen, als wenn nie etwas geschehen wäre. Alles soll so sein wie früher. Dabei ist gar nichts mehr wie früher. Alles kaputt, alles in Trümmern, ein Alptraum, ein Scherbenhaufen. Man hat das Gefühl seiner Vergangenheit, der Gegenwart und der Zukunft beraubt zu sein. Ich muss nun ein Leben führen, dass mir aufgezwungen wurde, das ich so nicht will. Wie geht das? Wie macht man das?
Ich heiße Susanne, bin 58 Jahre alt. Am 14.06. ist mein Mann René an Darmkrebs mit Metastasen im Bauchfell gestorben. Im Oktober 22 haben wir die Diagnose mit dem Wort "unheilbar" bekommen. Ich hatte selber in jungen Jahren Lymphdrüsenkrebs darum weiß ich, die Diagnose Krebs muß nicht mit dem Tod enden. Aber das Wort "unheilbar" war dann doch eine andere Hausnummer. Wir haben trotzdem auf 2/3 Jahre gehofft, die wir noch zusammen leben dürfen. Zumal eine Chemotherapie begonnen wurde, die macht man doch nicht, wenn man nur noch wenige Monate zu leben hat. Aber es ging alles schief, was nur schieflaufen kann. Bis zum nächsten schlimmen Wort "austherapiert". Dann geht der Arzt raus, macht die Tür hinter sich zu und man gucken, wie man damit klarkommt. Nach diesen Worten hat mein Mann noch eine Woche gelebt: ohne Medikamente, ohne Essen, ohne Trinken.
Wir beide wollten, dass er zuhause stirbt, es war alles in Vorbereitung, aber er war zu schwach für den Transport. Ich habe die letzten Tage und Nächte bei ihm im Zimmer auf der Palliativstation verbracht. Ich habe mir Sterben anders vorgestellt: man gleitet friedlich in eine andere Welt. Nun bin ich eines besseren belehrt worden. Es war der erste Horrorfilm meines Lebens in dem nur wir beide mitgespielt haben. Ich bin immer noch fassungslos, was da alles mit einem Menschen passiert der im Sterben liegt. Trotzdem bin ich froh, bis zum Schluss bei dir gewesen zu sein, auch wenn du nichts mehr mitbekommen hast. Als du deinen letzten tiefen Atemzug gemacht hast, bin ich noch ein Weilchen bei dir sitzen geblieben und habe dann im Schwesternzimmer Bescheid gesagt, dass du es geschafft hast. Woher die Kraft und Ruhe hergekommen ist, ist mir bis heute ein Rätsel. Die Schwester hat mich in den Arm genommen und ich habe erstmal auf dich geschimpft. Dass du mich einfach so alleine lässt, Sie haben dich "schick" gemacht: dir Lichter in die Hand gedrückt, Rosenblätter auf der Decke verteilt. Als ich der Schwester sagte, dass dieser Kitsch so überhaupt nicht dein Fall gewesen wäre, mussten wir dann doch unter Tränen lächeln. Ein paar Stunden habe ich noch bei dir im Zimmer gesessen, dir aus dem "Gästebuch" der Palliativ vorgelesen, mit dir einen Sekt getrunken, auf das Leben und den Tod angestossen, dein Glas dann auch noch geleert. In das Buch habe ich dann auch etwas geschrieben. Wie sehr ich dich liebe, wie schön unser lezter Hochzeitstag war. Der 25. Da warst du schon krank. Wir haben geahnt, dass es der letzte sein könnte. Wir waren zusammen essen, nur wir beide. Es war eine sehr private Angelegenheit für uns mit diesem Gedanken im Hinterkopf. Wir haben es so richtig krachen lassen, es war ein sehr schöner Abend. Auf dem Rückweg im Auto haben wir dann zusammen geweint.
Es fällt mir alles so schwer ohne dich, du fehlst mir so.